Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 181

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Da habe ich schon meine Zweifel über das Verhältnis zwischen Realität und Märchen. Ich empfehle jedenfalls Bundeskanzler Schüssel die Lektüre "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry; das ist ein gutes Buch. Darin empfehle ich ihm die Lektüre der Seite 67. Anscheinend hat Schüssel das aber ohnehin gelesen, bevor er sich entschlossen hat, diese blau-schwarze Koalition zu bilden. Denn dort steht fast seherisch, fast prophetisch folgender Text:

"Der Fuchs ... schaute den Prinzen lange an." Dann sagte der Fuchs zum Prinzen: "‚Bitte ... zähme mich!‘ sagte er. ‚Ich möchte wohl‘, antwortete der kleine Prinz, ‚aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden ...‘"

Das kann man wohl sagen, die muss er jetzt echt finden (Heiterkeit bei der SPÖ), und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa (Abg. Dr. Khol: Die hat er!), und er muss viele Dinge kennen lernen. – Aber die lernt er jetzt auch kennen, die werden ihn nämlich noch etwas anschauen lassen in dieser Regierung. (Abg. Dr. Khol: Ihr vor allem!) Da wird er noch sehr viel kennen lernen.

Ich empfehle ihm also diese Lektüre, denn das ist eine Fundgrube für den "kleinen Prinzen", damit er dort nachschlagen kann, wie er diesen Zähmungsprozess in Wirklichkeit vorantreiben kann. Vielleicht kann ihm Staatssekretär Morak in der Literatur noch behilflich sein. Es gibt darin auch einige andere Seiten, die interessant sind.

Ich will einen letzten Satz noch nachschieben, weil hier immer gesagt wird: Was wollen eigentlich die Künstler und die Kunstschaffenden? Warum üben sie hier so Kritik? Wir haben doch ein gutes Programm! – So quasi: Dürfen’s denn das? Oder: Fürchtet euch nicht! Das ist fast wie in der Bibel: Fürchtet euch nicht, wir sind ohnehin da, wir schützen euch, das Böse zähmen wir!

Kunst ist sowieso wieder Chefsache, daran hat sich einmal nichts geändert! Aber das Programm ist in Ordnung. – Wir verstehen es nicht. Na, vielleicht gibt es eben eine andere Kritik auch noch! Vielleicht meinen Sie, dass Sie für das Klima, das Sie mitgeschaffen haben, für das, wofür Sie stehen, nicht mit einer Regierungsbeteiligung zu belohnen sind. Ich finde, diese Kritik muss man ernst nehmen, der werden Sie sich stellen müssen, und das wird man nicht so leicht abhandeln können, wie Sie das bislang immer getan haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber der Wittmann hat dem Morak die Latte nicht hoch gelegt!)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Einer der vielen Gründe, warum die Künstler diese Position beziehen, war unter anderem auch Ihre Antwort in der "Pressestunde" auf die Frage eines Redakteurs. Die Frage war: Glauben Sie eigentlich, dass Haider diese Dinge – die Sie noch kennen lernen müssen und die Sie schon kennen, mit SS Krumpendorf, Beschäftigungspolitik, Drittes Reich und so weiter – alle gesagt hat, weil er letzten Endes so ist, oder aus einem gewissen Opportunismus heraus, weil er weiß, dass dergleichen in einem Teil des österreichischen Wählersegments gut ankommt? Was ist daher Ihre Meinung? – Schüssel: Das weiß ich nicht, weil ich nicht Psychologe bin und andere jetzt bewerten möchte.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie sind nicht als Psychologe in dieser Regierung, sondern Sie haben eine politische Aufgabe zu erfüllen! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Auf die Nachfrage dazu antworten Sie: Vielleicht schwingt beides mit. – Also vielleicht ist er ein bisschen ein Nazi, und vielleicht ist er ein bisschen ein Opportunist! Wörtlicher Text: Vielleicht ist aber auch eine gewisse, wie soll ich sagen, Unbefangenheit hier spürbar.

Der ist jetzt 50 Jahre alt geworden. Dem noch immer eine jugendliche Unbefangenheit nachzusagen, ist kühn! (Heiterkeit des Abg. Schwemlein.  – Abg. Dr. Martin Graf: Wie alt ist der Cap geworden?)

Noch einmal: Ich halte Sie in dieser Frage für anständig. Ich sage nicht, dass Sie Sympathisant von irgendetwas sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Aber bitte sagen Sie jetzt einmal ganz klar: Ist er es, oder ist er es nicht? Oder spielt er bloß so? Oder ist er Opportunist? – Das erwarte ich mir schon, wenn Sie den Fuchs zähmen wollen. Denn sonst wird er auf die Dauer nicht zähmbar sein. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26


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