Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 130

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Ich habe mir das Regierungsprogramm angeschaut. Mir fällt auf, dass eher auf Zuruf von Einzelpersonen, selbst ernannten Experten, Vertretern des Industriellenverbandes, des Wirtschaftsverbandes und einigen Journalisten agiert oder reagiert wurde, und man daraus offenbar ein Programm gebastelt hat. Denn etwas muss klar sein: Sich konkurrenz- und leistungsfähige Universitäten zu wünschen, das kann jeder. Dazu braucht es weder Phantasie noch Mut, und dafür werden Sie viele Verbündete finden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist doch nichts Böses!) Das ist auch nichts Böses, aber es ist dünn, es ist plakativ, und es ist eine Aneinanderreihung von Schlagzeilen, die jede Wissenschaftlichkeit vermissen lassen.

Wissenschaftlich wäre es, sich anzuschauen, welche Mängel de facto an den Universitäten existieren, welche Stärken und Schwächen in diesem Bericht fair und relativ klar angesprochen sind und wie man den Begriff "Leistung" definiert. Man kann nicht von den Unis Leistung verlangen, sie aber im Unklaren darüber lassen, was man unter Leistung versteht. Ich werde Ihnen etwas sagen: Im Papier der Industriellenvereinigung, die Ihnen vielleicht etwas näher steht, steht Folgendes: Man beklagt sich auf einer Seite über die große Spezialisierung der Absolventen und hält das für unbrauchbar, aber auf der nächsten Seite, auf der Seite direkt vis-à-vis, steht geschrieben: "Die zu generalistische Ausbildung ist ein Nachteil des gegenwärtigen Systems." (Heiterkeit bei den Grünen.)

Fällt Ihnen etwas auf? – Das kann nicht stimmen! Wen wundert es aber, wenn eine Politik, die sozusagen auf Zuruf reagiert, dann plötzlich nicht mehr weiß, wohin die Universitäten sollen? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Da müssen Sie die Industriellenvereinigung kritisieren!)  – Das habe ich auch. Das haben Sie vielleicht überlesen.

Das Zweite: Wir haben – das war vor etwa vier Jahren – eine Veranstaltung mit dem Titel "Produziert die Universität am Arbeitsmarkt vorbei?" abgehalten. Hier werde ich natürlich hören: Selbstverständlich produziert sie vorbei! Meine Vorrednerin hat ja gesagt, wenn die Absolventen keine Arbeit finden, dann ist die Universität, dann ist der Wissenschaftsminister, dann ist die Frauenministerin schuld. – Ich sage Ihnen, wer schuld ist: Bei gedeckelten Budgets ist der Arbeitsmarkt der Absolventen vorwiegend die Wirtschaft: die Wirtschaft, die Sie fördern, die Sie lieben – zu Recht! – und die Sie verehren. Die Quote an Forschern unter 10 000 Erwerbstätigen in Österreich ist schlecht. Bei dieser Rechnung ist der öffentliche Bereich jedoch ausgenommen.

Produziert die Universität am Arbeitsmarkt vorbei? – Es ließ sich damals trotz hochkarätiger Redner kein Resümee ziehen, und ich sage Ihnen, warum nicht. Beispiele: Was habe ich gehört? Bis auf schlechte Manieren und zu saloppe Kleidung bei den Vorstellungsgesprächen ist alles bestens, haben die einen gemeint. Alles bestens bis auf mangelnde Sprachkenntnisse, meinten die anderen. Die einen kritisierten wiederum die mangelnde Flexibilität, die anderen die zu enge Spezialisierung. Andere wünschten sich für ihre Firma Absolventen von Studienrichtungen, in denen gelehrt werden sollte, wie man zum Beispiel reißfeste fälschungssichere Geldscheine herstellt. So eng hätte es sein müssen. Jeder Industrie, jedem Meister seine Studienrichtung! Das kann es aber auch nicht sein.

Also: Quo vadis, geschätzte Bundesregierung? – Bei so vielen Zurufen wäre jetzt, glaube ich, Denken, wären Überlegungen angesagt. (Abg. Dr. Brinek: Das machen wir ja!) Zum Beispiel: In welchen Sektor soll das Geld fließen? Wohin soll man jetzt die Ströme – wie Sie es genannt haben – von Studenten lenken? Wo sollen Schwerpunkte gesetzt werden? Wo soll man investieren und wo soll man Geld zurücknehmen?

In Anbetracht dieser letztlich nicht unbeträchtlichen Ratlosigkeit kommt mir das Wort eines früheren Kanzlers: Es ist alles sehr schwierig! (Abg. Dr. Brinek: Kompliziert! "Kompliziert", hat er gesagt!) oder "Es ist alles sehr kompliziert!" – das ist ja kein großer Unterschied – fast als respektvolle Metapher angesichts der Schwierigkeit der Dinge vor. Ich wünsche mir, dass Sie diesen Satz einmal verstehen und überlegen, dass ein zukünftiger Bericht der Bundesregierung doch nicht so aussehen kann wie eine Firmenbilanz, in der man sozusagen nur den Quotienten zwischen In- und Output vergleicht. (Abg. Dr. Martin Graf: Keine Sorge! Das wird nicht so sein!) Ein paar Sorgen werden Sie mir nicht nehmen können. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie suchen die


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