Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 19. Sitzung / Seite 118

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men. Wenn, also eine Koalition mit den FPÖ-Wählern, aber nicht mit der FPÖ und Jörg Haider. (Abg. Edlinger: Wer war das?)

Dem damaligen Vizekanzler Dr. Schüssel ist es mit dieser Haltung gelungen, alle seine Parteifreunde – ohne jede Ausnahme – in der Europäischen Union zu überzeugen. Wir hatten damals zumindest in dieser Frage einen äußerst überzeugenden Außenminister.

Dass es ihm jetzt nicht gelungen ist, seine Parteifreunde vom völligen Gegenteil zu überzeugen, mag auch daran liegen, dass es nicht primär das Interesse von Aznar oder Chirac ist, unbedingt Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler der Republik Österreich im Amt zu wissen. Dafür ist das Parteiinteresse über die Landesgrenzen hinweg offensichtlich zu gering.

Wolfgang Schüssel hat eines völlig falsch eingeschätzt: Er hat offensichtlich damit gerechnet, dass die Solidarität seiner Parteifreunde in der Europäischen Union höher steht als die Verpflichtung gegenüber den Grundwerten dieser Union. Er hat offensichtlich nicht damit gerechnet, dass diese Union – egal, ob von Christdemokraten, von Sozialdemokraten oder von Grünen gesehen – eine Wertegemeinschaft der Menschenrechte und der Demokratie ist (Abg. Zweytick: Wo in Italien, wo in Frankreich?) und dass es nach dem gelungenen Überzeugungswerk Wolfgang Schüssels doch keine übergroße Wahrscheinlichkeit gibt, dass nur mit dem Hinweis "Euer Freund Wolfgang Schüssel kann Bundeskanzler werden" plötzlich alles über Bord geht und dass das, was in Europa für alle gemeinsam, über die Parteigrenzen hinweg, gilt, plötzlich nicht mehr gilt. (Abg. Zweytick: Berlusconi kann es besser!)

Ich habe nie verstanden – Herr Kollege Fasslabend, Herr Kollege Khol und auch Herr Dr. Schüssel! –, warum Sie davon überrascht waren, dass auf das Verlassen einer europäischen Wertegemeinschaft Reaktionen kommen mussten. Selbstverständlich waren auch wir von der Schnelligkeit und der Klarheit dessen, was wir heute als Sanktionen bezeichnen, überrascht (Abg. Dr. Martin Graf: Das glauben wir nicht!), aber dass es Reaktionen geben wird, Herr Dr. Khol, das wussten nicht nur wir (Abg. Dr. Martin Graf: Ihr habt es eh schon vorher gewusst!), sondern das wussten auch Sie, und zwar spätestens seit der sehr klaren Warnung des österreichischen Bundespräsidenten. Sie waren vorgewarnt!

Bitte gehen Sie heute nicht her und spielen kurz nach Ostern das schwarze oder das blaue Unschuldslamm, das keine Ahnung hatte und auf dem Altar der Österreich-Hasser in Brüssel geopfert wurde. Das ist doch offensichtlich Unsinn! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie nehmen offensichtlich noch immer nicht ernst, was da in Europa passiert ist. (Abg. Zweytick: Was hat Voggenhuber in Europa dazu gesagt?) Man kann es nämlich auch positiv formulieren (Abg. Zweytick: Sagen Sie das dem Kollegen Voggenhuber! Das Ei hat er uns gelegt!), und zwar kann man auch sagen, dass die Basis der europäischen Wertegemeinschaft so klar und so eindeutig ist, dass die Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei keine europäische Selbstverständlichkeit und keine Bagatelle ist. Und genau das ist passiert!

Ich habe – ich lasse Westenthaler einmal weg – sehr genau zugehört, was uns Dr. Schüssel und Dr. Khol heute zu sagen hatten. Sie haben ein doppeltes Ultimatum gestellt: zunächst ein Ultimatum an die Europäische Union, das da lautet: Wir fordern euch ultimativ auf, die Sanktionen einzustellen! (Abg. Dr. Martin Graf: Was ist daran schlecht?), und ein zweites Ultimatum an die Opposition – sie haben es völlig anders formuliert, aber die Botschaft ist angekommen, und bis zum gestrigen Abend wurde auch in dieser Sprache formuliert –, das Folgendes bedeutet: Wer sich nicht hinter uns stellt, wer nicht in Form des Kniefalls vor der Regierung den Schulterschluss vollzieht, der ist ein Vaterlandsverräter, der ist kein Patriot! – Das war das doppelte Ultimatum.

Ich habe ein drittes Ultimatum vermisst, nämlich das Ultimatum an den Noch-Parteivorsitzenden der Freiheitlichen Partei. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben die Leute unterstützt, die plakatiert haben: Patrioten sind Idioten!) Ich frage Sie: Wo ist das Ultimatum an Dr. Haider und die FPÖ geblieben? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Wo ist folgendes Ultimatum geblieben: Wenn noch ein einziges Mal erklärt wird: Wir sind bereit, eine Raus-aus-Europa-Bewegung anzufüh


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