Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 19. Sitzung / Seite 239

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Für jeden Menschen zählt die Gesundheit zu den wichtigsten Gütern. Daher stimmen wir der Grundintention dieses Antrages zu.

Es erhebt sich jedoch die Frage, wie weit dieser Antrag mit dem österreichischen Grundrechtskatalog und dem Rechtsschutzsystem harmoniert, sodass eine gründliche Diskussion über diese Regelungen erforderlich ist. Die sozialdemokratische Fraktion will einen breiten Katalog an wirtschaftlichen und sozialen Grundrechten verfassungsmäßig verankern, worin auch das Grundrecht auf Gesundheit enthalten ist.

Eine Gesundheitsanwaltschaft ist ein guter Ansatz, um das Recht auf Gesundheit zu wahren. Die Wichtigkeit der Erforschung von Ursachen und Wirkungen im Bereich der Umweltmedizin ist eine große Herausforderung und bedarf sicher staatlicher Mittel, denn von der Industrie wird fast alles unterdrückt, was ihren Interessen zuwider handelt – wenn ich mich nur an die Diskussion vor Beschlussfassung des Tabakgesetzes erinnere, daran, wie die Tabak-Lobby die Risken des Nikotin-Missbrauchs für die Benützer, aber auch die unfreiwillig Mitrauchenden bagatellisierte!

Es wird nicht einmal versucht, die Kausalität des Nikotinmissbrauchs – ich sage bewusst nicht "Genuss" oder "Gebrauch" – für Morbidität und Mortalität festzustellen. In keiner klinischen oder Obduktionsdiagnose wird Nikotin-Missbrauch vermerkt, ja nicht einmal auf den Krebsstatistikblättern scheint "Nikotin-Abusus" beziehungsweise "leidender Mitraucher" auf.

Anlässlich eines 1992 von Professor Gale gehaltenen Vortrages über den Gau von Tschernobyl wurde einem die Macht der Atomlobby bewusst. Bis auf einen Anstieg der Schilddrüsenkarzinom-Rate wurde von ihm jede Kausalität einer Leukämie oder anderen bösartigen Erkrankung im Zusammenhang mit Atomkraftwerken geleugnet.

Ich möchte noch einmal und wieder daran erinnern, dass mit Befolgung des Tabakgesetzes das Rauchen in den Couloirs zu untersagen ist. Das Rauchen in einem Gebäude, nicht nur den öffentlichen, verletzt die gesundheitliche Integrität anderer Menschen. Es ist nicht einzusehen, dass wir Abgeordneten mit gereizten Schleimhäuten, immer wieder durch geöffnete Fenster oder Lüftung kaltem Zug ausgesetzt und dadurch an Neuralgien leidend dieses Hohe Haus verlassen müssen. Es ist höchste Zeit, dass die Präsidialkonferenz einmal dem Gesetz entsprechend beschließt, ein Raucherkammerl zu schaffen, mit einem so starken Abzug, dass die Nichtraucher gesundheitlich nicht beeinträchtigt werden. (Beifall der Abgeordneten Dr. Keppelmüller, Pfeffer, Mag. Sima und Mag. Stoisits. ) Warum müssen etliche leiden, damit andere ihrer ungesunden Lust und Abhängigkeit frönen können? Wie kommen Nichtraucher dazu, als lustfeindlich und intolerant zu gelten, wenn sie es wagen, gegen das Rauchen Einspruch zu erheben?

Ich frage mich aber: Wie ist das Recht auf Gesundheit im Zusammenhang mit Straßen- und Schienenbau zu verstehen? Müssen jene, die heute schon Verkehr erdulden, jedes Jahr mehr Belastungen ausgesetzt sein, weil andere unbehelligt leben wollen? Sind Hochspannungsleitungen oder GSM-Masten zu verbieten, oder stellt die Versorgung mit Strom oder die Möglichkeit des Telefonierens ein höherwertiges Gut dar? (Abg. Dr. Khol: Bitte keine Vorlesung um Mitternacht!)  – Dadurch, dass ich es vorlese, geht es schneller. Wenn ich es nicht vorlese, brauche ich länger. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist aber kürzer als Mikl-Leitner! – Heiterkeit der Rednerin.) Ich kann es ja ausprobieren: Ich brauche ungefähr doppelt so lange in der freien Rede, aber ich habe Zeit, und wir haben noch genügend Redezeit. Wir könnten es ausprobieren!

Haben Schanigärten um 20 Uhr zu schließen, weil manche ihre Ruhe haben wollen, oder haben andere das Recht, im Freien den Abend zu genießen? Wie ist bei Interessenkollision zu entscheiden, wie bei kontroversiellen Gutachten?

Gesundheit ist der größte Reichtum, sagt ein Sprichwort. Bewahren wir sie. Schützen wir die Menschen durch ein Verfassungsrecht, aber diskutieren wir vorher noch im Ausschuss nähere Details, damit die Gesundheit nicht manche bevorzugt und andere benachteiligt und durch eine Reihe von Gutachten und Gegengutachten und Verzögerungen manches, was für viele Menschen wichtig ist und ihr Wohlbefinden steigert, für diese dann aber unerschwinglich wird. –


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