Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 144

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Alles deutet darauf hin, dass die 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union daran interessiert sind, nicht, so wie Sie das formulieren, einen Ausweg zu finden, sondern eine Lösung für die Zukunft zu erarbeiten, die die Republik Österreich mit einschließt. Und das ist etwas ganz anderes als ein Fluchtweg aus etwas, was man längst bedauert, sondern es ist ein seriöser Versuch, daraus etwas zu machen, was Bestand hat und was allen politischen Parteien in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei etwaigen ähnlichen Regierungsbildungen in Zukunft ein Mindestmaß an innereuropäischer Rechtssicherheit gibt.

Wir werden nicht die Nächsten sein. Die nächste Frage dieser Art wird sich möglicherweise in Italien stellen, und die Europäische Union ist ausgezeichnet beraten, wenn sie es nicht wieder auf eine Reaktion aus momentaner Empörung ankommen lässt, sondern rechtzeitig gemeinsame politische Regeln unter Einschluss Österreichs schafft. Das können nicht Regeln der 14 oder 13, das können nur Regeln der 15 sein.

Und genau das signalisieren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in unterschiedlicher Tonlage bereits seit Wochen. Da liegt der Ausweg!

Jeder, der sich mit Außenpolitik und mit den Interessen der Republik Österreich seriös beschäftigt, weiß, dass mit dem Beginn der Arbeit an einem Regelwerk, an einem europäischen Regelwerk und Rechtswerk dieser Art erstmals auch die Möglichkeit besteht, die Sanktionen gegen die österreichische Bundesregierung auszusetzen. Und genau dahin geht derzeit auch der europäische Diskussionsprozess.

Wie ist nun die Reaktion der österreichischen Außenpolitik und der Regierungsfraktionen? – Da wird nichts unternommen, um diesen Zeitpunkt, um diesen Punkt möglichst bald zu erreichen und dann einen ernsthaften Vorschlag zur Aufhebung der Sanktionen unterbreiten zu können! Da wird nicht vorgeschlagen, wie wir zügiger auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, einer europäischen Charta und einer parlamentarischen Kompetenz der zweiten und dritten Säule vorankommen – weil das alles Mitvoraussetzungen sein werden; das wird ein gemeinsamer Prozess sein –, sondern da wird ein Ultimatum gestellt! Da wird gesagt: Schuld ist Brüssel, wir sind Opfer, und als Opfer haben wir das Recht, jetzt ganz Österreich gegen euch zu mobilisieren.

Das ist eine Kurzschlusshandlung, weil bis hin zum Bundeskanzler niemand angeben kann, was dann passiert, wenn – wie es sich abzeichnet – nur eine Minderheit der österreichischen wahlberechtigten Bevölkerung zu dieser Befragung geht und davon wahrscheinlich ein hoher Prozentsatz – welche Fragen auch immer gestellt werden, und ich hoffe, sie werden, wenn es so weit kommt, halbwegs vernünftig sein – mit ja antworten wird.

Ja, und was dann? Was kommt am Montag danach? Was, wenn Brüssel und London und Berlin und Lissabon nicht erklären, okay, wir kapitulieren vor der österreichischen Volksbefragung und nehmen mit dem Ausdruck des Bedauerns alles zurück? Was, wenn das nicht passiert? Was ist der nächste Schritt? – Dann muss etwas passieren, dann hat man eine politische Kettenreaktion in Gang gesetzt.

Was tut dann die Außenministerin, und was macht dann der Bundeskanzler? Werden sie einfach sagen: Na, wir haben es probiert, in Brüssel ist leider die Botschaft nicht angekommen; vergessen wir es! Das nächste Mal probieren wir es wieder! Wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, na, dann machen wir eine Volksbefragung, und wenn es nichts wird, na, dann war es halt nichts!? Oder kommt dann die Grasser’sche, Haider’sche und schon etwas Schüssel’sche Drohung, dann doch die eigenen Möglichkeiten in der Europäischen Union etwas destruktiv und wachsend destruktiv einzusetzen?

Das sind die Fragen, Frau Bundesministerin, die Sie eigentlich öffentlich längst beantworten sollten. Es ist schade, dass Sie sich diese Fragen nach einem konstruktiven europäischen Ausweg und dem Verzicht, mit an der Spitze der Bundesregierung in eine Volksbefragungs-Falle zu tappen – weil genau das ist es: eine Volksbefragungs-Falle –, nicht stellen. Genau diese Erklärungen und Antworten stehen aus!


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