Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 173

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gen, die gemeinsame Obsorge übertragen zu bekommen, wenn die Eltern eine Vereinbarung vorlegen, die gerichtlich genehmigt wird und diese Vereinbarung eben danach überprüft wird, ob diese dem Wohle des Kindes tatsächlich entspricht. (Abg. Dr. Fekter: Nein, eben nicht! Stimmt ja nicht!)

Hinweisen möchte ich auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 11. Juli 2000, in der es heißt – ich zitiere –:

Die bekämpfte Rechtslage hält jene Eltern, die sich über eine gemeinsame Obsorge einig sind, nicht davon ab, diese auch tatsächlich zu praktizieren. – Zitatende.

So viel zu den "mangelnden Lesekenntnissen", die uns Frau Haller vorgeworfen hat. (Abg. Dr. Fekter: Das Gesetz behindert sie dabei! )

Herr Bundesminister – Sie haben mich ja direkt angesprochen –: Die gemeinsame Obsorge in diesem Gesetz ist kein "Angebot", sondern ein Zwang. Der alte Entwurf, bei dem die Entscheidungsfreiheit noch da war, das war ein Angebot, aber Sie haben ja diesen alten Entwurf – der neue Entwurf wurde nicht einmal einer Begutachtung unterzogen – sozusagen verwahrlosen lassen. – Bei diesem Entwurf aber kann man wirklich von einer seelischen Verwahrlosung der Kinder und der Schwächeren in einem Scheidungsverfahren sprechen, und es sind doch vornehmlich die Frauen, die dadurch benachteiligt werden. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben das Begutachtungsverfahren 1999 versäumt!)

Dieses Gesetz geht zu Lasten der Kinder, zu Lasten der schwächeren Teile in und nach einem Scheidungsverfahren – und das sind doch die Frauen! Und diese wirklich verunglückten neuen Bestimmungen, die diesem schlechten Modell "gemeinsame Obsorge" zugrunde liegen, überdecken leider auch andere Regelungsbereiche des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes, welche von Michalek, also von Ihrem Vorgänger, Herr Bundesminister Böhmdorfer, in dessen Entwurf übernommen wurden, Regelungen, die durchaus als positiv zu bezeichnen sind.

Herr Minister! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist gekennzeichnet von Unklarheiten, offenen Fragen und erheblichen Bedenken! – Wenn jedoch Sie, Frau Fekter, beim Hearing etwas anderes gehört haben, so dürfte das auf Ihr selektives Wahrnehmungsvermögen zurückzuführen sein. Selbst jene Experten, die sich einer gemeinsamen Obsorge gegenüber positiv gezeigt haben, äußerten ihre Bedenken, Bedenken gegen die lange Verfahrensdauer: zuerst Versuch einer gütlichen Einigung, dann Mediation, dann erst Gerichtsurteil. Das belastet das Kind und verlängert die emotional kritische Scheidungsphase. Dies alles ist dem Kindeswohl, von dem hier ja dauernd gesprochen wird, wahrlich nicht dienlich!

Die Zahl jener Fälle, in denen Väter ihre Unterhaltspflicht vernachlässigen, steigt von Jahr zu Jahr. Das ist nachzulesen im letzten Bericht der Volksanwaltschaft, der vor wenigen Tagen im Ausschuss abgehandelt wurde.

Durch die gemeinsame Obsorge wird der Druck auf die Mütter in Unterhaltsfragen sogar noch zunehmen. – Eine weitere Tücke dieses Gesetzes!

Dass ein Elternteil nach der Scheidung seine Pflicht, seine Verantwortung seinem Kind gegenüber vernachlässigt – wo doch alle ihre Kinder so lieben, sie aber vergessen, daher: keine Besuche, kein Interesse! –, ist doch bitte nicht etwas, was man dem neuen, "verfehlten" Frauenbild, wie Sie meinen, zuschreiben kann! Und: Ein solcher Elternteil kann auch nicht durch die geplante Regelung zur Wahrnehmung seiner Verpflichtungen veranlasst werden.

Aus dieser Neuregelung geht auch nicht hervor, wie gemeinsame Obsorge funktionieren soll, wenn die einzige wirkliche Basis, die einzige wirkliche Voraussetzung, nämlich das Einvernehmen, nicht vorhanden ist. Man hätte Regelungen finden können, Frau Fekter, wenn Sie eine sorgfältig agierende Vorsitzende gewesen wären, eine Regelung, mit der dem Bedürfnis, das sowohl die Eltern als auch die Kinder im Falle einer Scheidung haben, Rechnung getragen hätte werden können. Aber dieser Mühe wollten Sie sich, Frau Fekter, leider nicht unterziehen! Diese


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