Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 117

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Grundsätzlich zur Entwicklung der österreichischen Außenpolitik: Ich habe nicht den Eindruck, dass die österreichische Außenpolitik von der Außenministerin gestaltet wird. Ich habe den Eindruck einer großen politischen Unsicherheit in der Rollengestaltung. Ich habe den Eindruck, dass die offizielle Vertretung der österreichischen Außenpolitik längst Spielmasse für ganz andere Interessen in der Bundesregierung ist. Das Spiel mit den Sanktionen, der Umgang mit der Osterweiterung, der Umgang mit der Institutionenreform und der Umgang mit der europäischen Sicherheitspolitik haben nichts mit klaren politischen Zielsetzungen zu tun. Koalitionstaktik steht überall dahinter, reine Koalitionstaktik, Kleingeld, um innenpolitischen Krisenprofit zu maximieren.

Wir kommen damit in eine kritische Situation. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Mehrheit in der Österreichischen Volkspartei Interesse daran hat, aus Österreich so etwas wie die Speerspitze der nationalistischen Ressentiments im europäischen Einigungsprozess zu machen. Und erinnern Sie sich an dieses seltsame Treffen vor mehreren Monaten, zu dem Bundeskanzler Schüssel geladen hat und zu dem Stoiber, Václav Klaus, Džurinda und der ungarische Vertreter, Orban, gekommen sind. Dabei sind Erklärungen abgegeben worden wie: Wir müssen ein Europa bekämpfen, das seine Macht gegenüber dem demokratisch gewählten Präsidenten Miloševic missbraucht, und und und – politische Erklärungen der sonderbarsten Art, die nicht einmal in einer Zeile vom Bundeskanzler zurückgewiesen worden sind und sich über alle Sprachbarrieren hinweg in einem Satz zusammenfassen lassen: Es gibt politische Kräfte in Bayern, in der Tschechischen Republik, in der Slowakei, in Ungarn und in Österreich, die nationale und nationalistische Ressentiments gegen den europäischen Einigungsprozess ausnützen wollen.

Die Regierung Schüssel stellt die Gefahr dar, zum Katalysator und Organisator dieses Ressentiments innerhalb der Europäischen Union zu werden. Und deswegen kommt der Applaus von Berlusconi, von der Lega Nord bis hin zu Viktor Orban, Kräften, die die Ängste vor dem europäischen Einigungsprozess für ihre politischen Strategien nützen wollen. Und dabei spielt Österreich und dabei spielt Ihre Bundesregierung, Frau Bundesminister, eine Schlüsselrolle! Jetzt frage ich: Was setzen Sie dem entgegen? Natürlich ist das lupenreine freiheitliche Politik.

Dazu gehört das Spiel mit Volksbefragungen und Volksabstimmungen! Da mit einer Volksabstimmung zündeln, zuerst bei den Sanktionen, dann bei der Osterweiterung, und zwischendurch wird ein Kulturbau erledigt. Dieser blinde rechtskonservative Umgang mit Populismus in dieser Republik, das wird immer mehr zum Markenzeichen der Europa- und Außenpolitik. Frau Bundesminister! Ich glaube nicht, dass Sie dafür verantwortlich sind. Sie haben schlicht und einfach niemals die politische Kontrolle über diesen Prozess gehabt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Zündeln mit Volksabstimmungen!)

Es gäbe völlig andere Optionen einer österreichischen Außenpolitik. Österreich könnte – und das sollten wir nie vergessen – ein geachtetes Mitglied der Europäischen Union sein. (Abg. Dr. Martin Graf: Aber das verhindern Sie!) Österreich könnte ein Pionierland von Demokratiereformen, sozialen Reformen und ökologischen Reformen in der Europäischen Union sein. Österreich könnte ein Land sein, das man dafür achtet, dass es eigene, eigenständige, spannende und innovative Wege in der internationalen Sicherheitspolitik geht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn Sie nicht zündelten!)

Aber stattdessen verfolgt Österreich eine Sicherheitspolitik, bei der im Gegensatz zu Schweden oder Finnland ein Verteidigungsminister unter Bruch der Bestimmungen des Neutralitätsgesetzes eine Initiative zur Einführung der Beistandspflicht in der Europäischen Union, also einen zukünftigen militärischen Block in Kauf nimmt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

So weit sind wir! Und wo gibt es da eine Außenministerin, die aufsteht und sagt: Nein, das ist nicht die außenpolitische Linie, nein, das ist kein europäisches Projekt. Nein, das ist kein Projekt, mit dem wir uns mitten in Europa befinden, ich fordere stattdessen dies und jenes, und ich setze als Außenministerin Markierungen!? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Sie haben uns an den Rand Europas geführt! Österreich ist heute in einer politischen Randlage.


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