Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 175

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eine Summe, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Folgen des Zweiten Weltkrieges und aller Folgen der Geschichte, die damit im Zusammenhang gestanden sind, schon einmal hat ausverhandelt und entrichtet werden müssen. 150 Millionen Dollar war das Entgelt, das die Republik Österreich für das so genannte deutsche Eigentum in Raten an die Sowjetunion hat bezahlen müssen. Es ist interessant, wie einzelne Summen in solchen Geschehen immer wieder auftauchen – nicht vergleichbar, aber trotzdem 150 Millionen Dollar da und 150 Millionen Dollar dort.

Man gestatte es mir als Juristen, die Dinge sehr stark von der rechtlichen Seite her zu sehen. Schaden, den Opfer von Verbrechen erlitten haben, ist gutzumachen – eigentlich eine Banalität; auch ein Wort, das heute schon gefallen ist –, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber nicht immer leicht durchsetzbar. Es ist doch eine Entwicklung, die zu Stolz Anlass gibt – obwohl heute auch schon gesagt wurde, wir hätten keinen Grund, stolz zu sein –, dass Österreich es unternommen hat, sich der materiellen Gutmachung dieses großen Schadens der begangenen Verbrechen zu unterziehen. Großverbrechen, Massenmorde, Massenvertreibungen, Massenraub von Vermögen sind auch im großen Stil gutzumachen. Was im Kleinen der einzelne Täter restituieren muss, das haben im Großen andere Gruppierungen, rechtliche Gebilde zu tun.

Noch etwas: Es darf in diesem Zusammenhang keine Verjährung geben. Es ist gut, wenn man das in Erinnerung ruft, denn die Staaten und ihre Repräsentanten neigen dazu, immer nur dort den Standpunkt zu vertreten, dass es keine Verjährung geben dürfe, wo ihnen das selbst gerade recht ist, und sich auf den Ablauf von Jahren und Jahrzehnten zu berufen, wo sie das für sich für günstig halten. Es gehört auch die Bestrafung der Schuldigen dazu. Wer sich Verbrechen schuldig gemacht hat, wer nach so langer Zeit noch ertappt und zweifelsfrei überführt werden kann, der gehört der gerechten Strafe zugeführt, wo immer er sich derzeit aufhalten möge. Und es gehört auch dazu, dass es für die Opfer völlig egal ist, von wem, wo und aus welchem konkreten Grund sie gerade ermordet, beraubt, vertrieben worden sind.

Wir erleben in dieser Stunde einen wichtigen Akt im Rahmen der finanziellen – ich betone: der finanziellen, denn eine andere ist ja bedauerlicherweise nicht möglich – Gutmachung gegenüber einer ganz wesentlichen Opfergruppe. Und ich betone es noch einmal, ich bin stolz darauf, in einem Staat tätig sein zu dürfen, in dem Verbrechen, zumal Großverbrechen, beim Namen genannt werden und man sich bemüht, Schaden gutzumachen.

Ich freue mich, dass ich nicht in einem der Staaten zu Hause bin, wie es sie leider auch in Europa, auch in unserer Nachbarschaft, gibt, in denen man sich seiner Verbrechen in der Vergangenheit stolz erinnert, sich stolz dazu bekennt und den Standpunkt vertritt, Massenmorde, Massenvertreibung, Massenraub von Vermögen seien ein hervorragender Akt gewesen, der auch nicht innerlich gutgemacht gehört, in denen man es ablehnt, die Dinge offen auf den Tisch zu legen, in denen man von Schadensgutmachung gar nichts wissen möchte und in denen sich dann noch gute Geister finden, die sagen, denen könne man ja eigentlich gar nicht zumuten, dass sie sich nach so langer Zeit noch zu ihren Verbrechen bekennen. Das ist eine Haltung, meine Damen und Herren, die wir entschieden bekämpfen müssen. Das Recht ist bitte unteilbar, und das Unrecht ist auch unteilbar! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So gesehen gibt es noch viel zu tun auf dem Sektor der Sühne von Großverbrechen, der Gutmachung des Schadens, der angerichtet worden ist, des moralischen, des geistigen, des historischen, aber auch des materiellen Schadens.

Es wird uns oft vorgehalten, dass wir uns nicht exakt an das gehalten hätten, was manche eine Wertegemeinschaft Europa nennen. Es gibt diese Wertegemeinschaft zweifellos, sie ist wahrscheinlich anders figuriert, als Kritiker Österreichs das in den vergangenen Monaten auf den Tisch gelegt haben, aber wir müssen danach trachten, dass nicht nur wir, sondern auch die anderen, auch jene, die glauben, alles vergessen machen zu können, was in ihren Grenzen geschehen ist, sich der Wertegemeinschaft erinnern und sich auch in ihrem Rechtsgut und auch in ihrem politischen Verhalten dieser Wertegemeinschaft würdig erweisen und sich entsprechend verhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.08


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