Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 56. Sitzung / Seite 175

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schon! Auch ein Salzstreuer!) Und die Begründung, die Argumentation dafür hinkt ja auch. Da wird gesagt: Weil die zivilrechtliche Volljährigkeit herabgesetzt worden ist, muss man auch im Strafrecht nachziehen. – Es besteht aber überhaupt kein zwingender Zusammenhang zwischen diesen beiden Regelungsbereichen. Das sieht man auch in den Stellungnahmen – Stellungnahmen, die man nachlesen kann, wie zum Beispiel vom Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz oder vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck. Und das wurde auch im Hearing bestätigt.

Meine Damen und Herren! Der Haupttenor der Fachleute, der Praktiker, der Experten und Expertinnen war, entweder die Altersgrenze von 19 Jahren überhaupt zu erhalten oder ein umfassendes und taugliches Heranwachsendenstrafrecht zu schaffen. Ein Heranwachsendenstrafrecht würde auch dem internationalen Trend entsprechen; da kommt das Erwachsenenstrafrecht erst nach dem 21. Lebensjahr zum Tragen. Das finden wir in Deutschland, in Griechenland, in den Niederlanden, in Polen, in Portugal, in Schweden, in Spanien und in anderen Ländern. (Abg. Dr. Fekter: Aber Diversion haben sie keine! Die sind ja hinter uns! Die haben keine Diversion für Erwachsene, die müssen erst auf unseren Standard kommen!)  – Frau Fekter, ich höre Sie nicht, Sie können noch so lang und laut schreien!

Tatsache ist, dass viele Jugendliche, die im kritischen Alter von 18 bis 20 Jahren eine Straftat begehen, noch Schwierigkeiten bei der Anpassung an das Erwachsenwerden haben. Erfreulicherweise sind aber diese Schwierigkeiten mit 20, 21 überwunden. Wenn nun in dieser kritischen Altersphase statt des Jugendstrafrechts, das differenzierter und milder ist, die schwere Keule des Erwachsenenstrafrechts zum Tragen kommt, dann bedeutet das für viele junge Menschen, dass eine soziale Reintegration verhindert oder zumindest erschwert wird.

Die Autoren dieses Gesetzes haben dies auch so gesehen, denn in der Regierungsvorlage, im Begutachtungsentwurf wurde noch von 9 000 zusätzlichen Hafttagen auf Grund der Verschärfungen ausgegangen. Im Antrag Fekter, Krüger spricht man noch von 3 000 zusätzlichen Hafttagen, was jährliche Mehrkosten von drei bis vier Millionen Schilling verursachen wird. Wie viele zusätzliche Hafttage mit dem vorliegenden Entwurf verbunden sind, das weiß ich nicht, weil uns keine Zahlen zur Verfügung stehen. Aber ich finde es in jedem Fall bedauerlich, ja geradezu widersinnig und paradox, dass wir in einem Sparzeitalter, an der Wende zum Sparen, Mehrkosten dafür aufbringen, dass zahlreiche Jugendliche wesentlich öfter und wesentlich länger in Gefängnissen sitzen werden, als das jetzt nach der bisherigen Rechtslage der Fall ist, und Mehrkosten dafür aufbringen, dass dadurch Menschen, die wohl nie mehr eine Straftat begangen hätten, in eine kriminelle Karriere gedrängt werden.

Es ist richtig, und ich anerkenne es durchaus, das habe ich heute schon erwähnt, dass Fortschritte erzielt worden sind und Entschärfungen eingeführt werden konnten: zum Beispiel, dass bei Strafverfahren die Jugendgerichte allenfalls bis zum 21. Lebensjahr zuständig sind, aber leider unter Anwendung und Geltung des Erwachsenenstrafrechts, oder dass die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bis zum 21. Lebensjahr ausgeschlossen wird, dass die Strafuntergrenze bei schwersten Strafdrohungen mit einem Jahr festgelegt wird, oder die Erweiterung der außerordentlichen Strafmilderung in Fällen mangelnder Reife, entwicklungsbedingten Verhaltens sowie die Ermöglichung eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe. Und: Aufschub des Strafvollzugs zum Zwecke des Abschlusses einer Berufsausbildung bei jungen Erwachsenen.

Es hat sich also gezeigt, dass Entschärfungen und auch Verbesserungen des ursprünglichen Entwurfes erreicht werden konnten, und es hat sich in meinen Augen gelohnt, dass die Materie so intensiv wie möglich diskutiert worden ist, um diese kleinsten Verbesserungen zu erringen. Trotzdem: Wenn man das Ganze abwägt, auf eine Waagschale legt, dann muss man sagen, die Quintessenz dieses Gesetzes bleibt: mehr Verschlechterungen als Verbesserungen, mehr unbedingte Haft, und in Zukunft mehr Strafvollzug für junge Menschen – zum Schaden dieser Menschen und zum Schaden der Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.


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