Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 131

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Der zweite Report, der Philips-Report, hat festgestellt – das kommt jetzt schon in die heutige Politik hinein –, dass auch die Wissenschaft und die Beauftragung der Wissenschaft zur Klärung dieser Probleme ganz extreme Lücken und Unzulänglichkeiten hier aufgewiesen hat. Und das hat damit zu tun, dass die Unabhängigkeit solcher Untersuchungsanstalten, die Unabhängigkeit solcher Forscherinnen und Forscher etwas ganz Essentielles ist. Ich halte es für zumindest überlegenswert, ob es wirklich klug ist, wenn Leute untersuchen, deren Überleben auf dem Markt von den Auftraggebern, die sie kontrollieren müssen, garantiert werden muss. (Beifall bei den Grünen.)

Ob es jetzt "Agentur" oder anders heißt, ist mir relativ egal, aber darüber, diese zentralen hoheitlichen Stellen – diese Stellen sind auch in den USA, in dem Land, das Sie immer so gerne zitieren, nach wie vor hoheitlich, staatlich – so leichtfertig, nur auf Grund eines Trends, einer Mode und Ideologie, dem Markt preiszugeben, darüber sollte man noch einmal nachdenken.

Panikmache ist die eine Sache, Beschwichtigung und – die Augen schließen, wäre gemein – mit den Augen zu blinzeln die andere. Dazwischen gibt es ein breites Feld, wo Debatten stattfinden können, und diese sind notwendig.

Ich erinnere noch einmal daran: Bei BSE weiß man bei weitem nicht so viel, wie viele meinen zu glauben und andere vorgeben zu wissen. Es ist so! Man weiß aber, dass Artengrenzen übersprungen wurden, man weiß, dass es auf Menschen übertragbar ist. Und auf Grund einer ähnlichen Erkrankung in Neuguinea weiß man auch, dass es höchstwahrscheinlich eine Gruppe von Menschen gibt, die genetisch dafür prädisponiert sind und die krank werden, viel früher und viel rascher, als das bei Tieren der Fall ist, dass aber eine andere Gruppe diese Erkrankung erst nach 40 oder 50 Jahren bekommen könnte. Und da haben wir noch lange Zeit zu schauen, noch lange Zeit, uns Sorgen zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme jetzt aber, da die Redezeit nur so dahinrennt, zu den Antibiotika in der Tierhaltung und den damit verbundenen Gefahren der Antibiotikaresistenzen.

In Deutschland gibt es Untersuchungen – ich hoffe, die gibt es in Österreich dann auch so –, in denen man festgestellt hat – es waren keine simplen Behörden oder einfach strukturierte Wissenschafter, die zu diesen Zahlen gekommen sind –, dass pro Jahr 40 000 Todesfälle in Deutschland zu registrieren sind auf Grund von Infektionen, bei denen herkömmliche Antibiotika versagen. Das liegt, so fair möchte ich sein, sicher nicht nur an der Landwirtschaft, sondern auch an uns Medizinern und den Krankenhäusern – das ist unumstritten. Trotzdem – einmal habe ich es Ihnen schon erzählt –: 50 Prozent aller Antibiotika werden bereits jetzt in der Landwirtschaft eingesetzt, nur 50 Prozent beim Menschen. 70 bis 80 Prozent dieser Antibiotika sind von völlig fraglichem Wert, nur 20 Prozent werden therapeutisch eingesetzt. Das muss man wissen. Das heißt, es ist durchaus erlaubt zu fragen, ob es hier nicht Alternativen gibt, insbesondere bei den Leistungssteigerern.

Ich habe Ihnen auch schon einmal erklärt, dass diese Antibiotika bei den Tieren Resistenzen erzeugen, die über Bakterien auf den Menschen übertragen werden, und es nicht nur so ist, dass das, was im Fleisch oder im Würstel drinnen ist, das Malheur verursacht, sondern es sind die Keime, die durch diese Verhaltensweisen in der Tierzucht propagiert werden.

Damit all das nicht ganz so lächerlich ist: Es gibt in der Medizin ein essentielles und lebensnotwendiges Antibiotikum für hoffnungslose schwere Infektionserkrankungen bei bestimmten Erregern – es nennt sich Vancomycin. Ein ähnliches Präparat wurde in der Tierhaltung eingesetzt, und zwar in einer Menge von 2 000 Kilogramm im Jahr 1994 oder 1995. Bei Menschen wurden nur 60 Kilogramm eingesetzt. Also sagen Sie nicht, dass das nicht wichtig wäre.

Aber ich gebe Ihnen darin Recht, dass Bauern vielfach – nicht alle – wie die Konsumenten im Regen stehen gelassen wurden, weil Beratung und Aufklärung verabsäumt wurden. Man hat ihnen wenig Alternativen geboten, man hat sie nicht gewarnt.


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