Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 59. Sitzung / Seite 62

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Ein Mann aus Tirol lässt mich wissen: "Seit 1957 bin ich durch einen Arbeitsunfall 60 Prozent Invalide, denn ich verlor meine rechte Hand. Ich war also in meinem ganzen Arbeitsleben auf eine Hand angewiesen."

Dieser Mann war damals 15 Jahre alt. Er erhielt dafür 2 043 S Unfallrente – 2 043 S für den Verlust einer Hand! Stellen Sie sich die Lebenssituation dieses Mannes vor! Fast noch als Kind hat er die Hand verloren. Als Ersatz für seine Schädigung, als Schmerzensgeld für seine Operationen und sein Leiden, als Abgeltung für die Minderung seiner Lebensqualität, als Ausgleich erhielt er pro Monat 2 043 S als Versicherungsleistung.

Und dann entdeckt ein Sozialforscher "Überversorgung"! Ein Finanzminister handelt im FPÖ-Reflex auf Verdacht von Sozialschmarotzertum und riecht Geld. Er dient ja dem Fetisch Nulldefizit – Geld für das Budget, woher immer es kommen mag.

Für diesen Mann heißt die Unfallrentenbesteuerung: in Zukunft nur mehr 868 S für seine Beeinträchtigung. 868 S statt 2 043 S! (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )  – Herr Kollege Gaugg, 868 S statt 2 043 S für eine Hand, die der Mann seit 40 Jahren nicht mehr hat! Darum geht es. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Er hat trotz dieser Beeinträchtigung sein Leben lang gearbeitet, und er hat als Schadensgutmachung Geld aus einer Versicherungsleistung bezogen, Herr Kollege Gaugg. Darum geht es.

Und dreist sprechen die Bundesregierung und die Abgeordneten der Regierungsparteien dann noch von sozial treffsicher. Das stimmt, Sie treffen sicher, nämlich die Schwachen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Sie treffen diese Betroffenen ja zusätzlich auch noch mit vielen anderen Ihrer Maßnahmen: Ambulanzgebühren, erhöhte Rezeptgebühren; ein Tag im Krankenhaus kostet für so einen Menschen wesentlich mehr als noch vor kurzem. Ich sage: Pech gehabt, kleiner Mann! Wer wollte denn eigentlich irgendwann für diesen viel gepriesenen kleinen Mann Politik machen? Wer wollte das eigentlich einmal?

Der Mann aus Tirol sagt: "Das ist die jetzige Politikerrungenschaft: Strafe kassieren dafür, dass man sein Leben lang schon vom Schicksal bestraft worden ist." – Mit 15 Jahren hat dieser Mann seine Hand verloren!

Wie reagieren Sie darauf, dass Leuten, die 10 000 S Pension und eine Unfallrente von 3 000 S erhalten, ihre Unfallrente nun mit 24 Prozent besteuert wird? Wie reagieren Sie auf die Situation von Menschen, die 15 000 S Pension und 3 000 S Unfallrente erhalten und deren Unfallrente jetzt mit 32 Prozent besteuert wird? Wie reagieren Sie auf die Situation von Menschen, die 30 000 S brutto Pension und 5 000 S Unfallrente haben und deren Unfallrente jetzt mit 56,5 Prozent besteuert wird? Wie reagieren Sie denn auf diese Zahlen, meine Damen und Herren? 56 Prozent!

So reagieren Sie: Bundeskanzler Schüssel schweigt wie immer, weil er sich mit Lappalien ja nicht abgibt. Der Herr Bundeskanzler ist Bundeskanzler für alle Österreicher. Ich frage mich: Was hat er den demonstrierenden UnfallrentnerInnen am 1. März gesagt? Hat er ihnen gesagt, ihr Protest sei unzulässig, wie er es bei den Gewerkschaftern machte? (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Der Herr Finanzminister sagt: Am Budgetziel ist nicht zu rütteln! – Vorzugsschüler? Für wen? Wofür? Und gegen wen, Herr Kollege? Gegen wen? – Ich sage es Ihnen: gegen Menschen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Klubobmann Khol sagt: Repariert darf auf keinen Fall auf Kosten des Budgets werden!, auch wenn er noch am Faschingssonntag dem Robin Hood aus Kärnten Gehorchen signalisiert hat. Herr Klubobmann Westenthaler sagt wie immer: Polemik! Herr Sozialsprecher Feurstein sagt, die Unfallrentner wären gut beraten, einzusehen, dass sie ihr Scherflein beitragen müssen. – Herr Abgeordneter Feurstein! Ein Drittel bis zur Hälfte an Einkommen zu verlieren – ich sage Ihnen: Das ist kein Scherflein, das ist ein großes Opfer! (Beifall bei der SPÖ.)


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