Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 65. Sitzung / Seite 14

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Es hören vielleicht einige niedergelassene Ärzte und einige Teile der Ärztekammer nicht gerne, aber trotzdem kann ich es nicht verschweigen: Wenn ich Leute frage, wird mir von ihnen gesagt – oder Leute erzählen es mir von selbst, also ungefragt –, dass es, wenn sie bei einer Gynäkologin, bei einem Zahnarzt, bei einem Orthopäden anrufen, heißt, in sechs Wochen gibt es den ersten Termin. Ich habe schon von Fristen bis zu drei Monaten gehört. Das heißt, man muss dann mehr Ärztinnen und Ärzte in den niedergelassenen Bereich "hineinstecken". Sie werden doch nicht sagen, dass das gratis sein wird! – Ich kenne viele Ärzte, aber die Heiligen darunter halten sich, genauso wie in anderen Berufsgruppen, in sehr engen Grenzen; das sage ich Ihnen nur.

Ein auch für mich sozialpolitisch und auch ethisch nicht gerade ungeheuer starkes Argument ist, dass es Selbstbehalte schon gibt. – Sie haben völlig Recht, aber es gibt vieles, sehr vieles auf der Welt, und ich möchte es nicht unbedingt in Österreich haben. Ich rede jetzt gar nicht von dreifach lebenslänglich oder Todesstrafe – so geschmacklos bin ich nicht, das mit dem Gesundheitssystem zu vergleichen –, aber wollen Sie alles, was es irgendwo gibt, bei uns einführen, nach unten anpassen? – Passen wir doch die Qualität nach oben an, aber das fällt Ihnen nicht ein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn ich heute höre, das Krankenanstaltensystem sei marod, dann muss ich sagen: Das sind intellektuelle Purzelbäume zwischen dem Loben unseres Systems – es ist so gut, es ist herzeigbar, und wir alle sind so stolz –, aber auch dem Kritisieren bei jeder Gelegenheit, bei der man es braucht und es dient, zu sagen, es ist marod. Warum ist es marod? – Weil es Wien ist, weil Sie ein paar Wiener Gemeinderäte nicht wollen, weil Sie den Bürgermeister nicht lieben.

Ich bin nicht der Meinung, dass es – vielleicht sage ich jetzt auch etwas, mit dem meine Freunde keine Freude haben – unbedingt eine grüne oder eine rote Krankenhauspolitik geben soll. Ich glaube, über der Parteipolitik sollte gemeinsame Vernunft herrschen. Wenn ich Ihnen sage, dass Tirol, Salzburg und Klagenfurt dieselben Probleme wie Wien haben, dann müssten Sie das gesamte System als marod bezeichnen. Wenn ich sehe, wie lange Sie brauchen, um selbst ein gesundes System nur ansatzweise vernünftig zu diskutieren, dann sind Sie in dem maroden System darauf angewiesen, noch einige weitere Legislaturperioden anzuhängen. – Auch das würde ich nicht als jene Vision sehen, die das Gesundheitssystem sozusagen kilometerweit nach vorne bringt. (Beifall bei den Grünen.)

Was mich aber schon irritiert: Ich habe immer geglaubt und mir auch gewünscht – und ich kehre von diesem Idealismus auch nicht zurück –, dass es in Parlamenten, nicht nur im österreichischen, möglich sein muss, mit klaren Daten und Fakten vernünftig zu argumentieren und zu überzeugen. Das ist aber nicht der Fall. Und wenn der liebe Kollege Rasinger meint, es werde hier nur Verunsicherungspolitik betrieben, muss ich ihm schon sagen: Den Menschen die Wahrheit zu sagen, ihnen klare Daten und Fakten vorzulegen, hat mit Verunsicherung wenig zu tun. Es kann unbequem sein, aber verunsichern sollte das nicht.

Wenn mich etwas verunsichert, sind es die wechselnden Meinungen meiner Gesundheitssprecher-Kollegen von der ÖVP, von denen ich immer wieder gute Vorschläge höre, aber immer nur außerhalb dieses Hauses, denn hier im Haus bekommt man plötzlich etwas ganz anderes zu hören. Das verunsichert mich. Das wird Ihnen egal sein, aber elegant ist es nicht.

Also noch einmal: Auch grüne Politik bekennt sich zum verantwortlichen Umgang mit Budgets, aber wenn man sparen will, so sollte dies, meine ich, nicht auf Kosten jener Gruppen sein, die ohnehin schon durch ihre Krankheit geprüft sind und darunter leiden. Ich glaube auch, dass Sparen unter ganz anderen Aspekten möglich ist, nämlich einer vernünftigen Rationalisierung, nicht aber einer Rationierung.

Noch etwas ärgert mich immer unheimlich. Auch gestern wieder sagte Vizekanzlerin Riess-Passer: Wir sparen an uns selbst, wir sparen am Staat. – Ja wer ist denn der Staat? Ist Frau Riess-Passer der Staat? Ist ein Minister der Staat? Ist die Regierung der Staat? Der Staat sind wir alle, und wenn Sie am Staat sparen, sparen Sie an uns, sparen Sie an den Bürgern! (Beifall


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