Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 65. Sitzung / Seite 46

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

hier von diesem Rednerpult aus einmal gesagt. Also: Weg mit dem Gedanken an Solidarität, weg mit dem Gedanken an Gerechtigkeit, und weg mit dem Gedanken an Verantwortung der Regierung für alle Österreicherinnen und für alle Österreicher!

Höhnischen Zynismus gibt es hier von diesem Pult aus für kranke Menschen, wenn der Gesundheitssprecher der ÖVP, der Antragsteller dieses unsozialen Antrages, sich heute hier herausstellt und sagt: Die Österreicher sind Weltmeister im Krankenhausliegen. – Danke, Herr Dr. Rasinger, dafür, dass Sie zeigen, welches Menschenbild Sie haben und welches Bild von kranken Menschen Sie haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde mich als kranker Mensch, der vielleicht gerade im Krankenhaus war – fragen Sie Herrn Dr. Ofner, er war vor kurzem dort –, schön bedanken für dieses Urteil, wenn ich Hilfe im Krankenhaus brauche! Aber Ihre Meldung passt nahtlos zu der, die Herr Staatssekretär Waneck einmal geäußert hat. Er hat gesagt, des Österreichers liebstes Wohnzimmer sei die Ambulanz eines Krankenhauses. – Gleiche Wertehaltung, gleiches Menschenbild! Danke! Dafür bedanke ich mich bei Ihnen!

Wie kommen Kranke und behinderte Menschen eigentlich dazu, sich das von einem Abgeordneten, von einem Bundespolitiker, von einem Staatssekretär sagen und vorhalten lassen zu müssen? Wie kommen wir eigentlich dazu?! (Beifall bei der SPÖ.)  – Das, Herr Leiner, ist nicht christlich, da werden Sie mir zustimmen. Das kann nicht christlich sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich spreche hier im Namen der behinderten Menschen, im Namen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Und, Herr Kollege Feurstein, weil ich mit den behinderten Menschen rede, weil ich ihnen zuhöre, deswegen spreche ich hier in deren Namen. Das sind nun einmal Menschen, die öfter ärztliche Hilfe brauchen als zum Beispiel toughe Golfspielerinnen, die gesund sind.

Diese Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben Sie schon vielfach bestraft: Die Rezeptgebühr wurde drastisch erhöht, das Taggeld im Krankenhaus wurde drastisch erhöht, die Unfallrenten wurden besteuert. Die Gebietskrankenkasse kann das Fahrgeld für Leute, die in eine Ambulanz fahren müssen, nicht mehr auszahlen, weil sie das Geld ganz einfach nicht mehr hat.

Und jetzt kommt noch eine Strafsteuer dazu, eine Strafabgabe, wie der Herr Bundesminister heute gesagt hat.

Sie alle kennen die spezielle Situation von Behinderten, Herr Dr. Feurstein, zum Beispiel von RollstuhlfahrerInnen. Diese werden nämlich am Zugang zu Arztpraxen gehindert. 85 Prozent der Arztpraxen sind nicht behindertengerecht, das wissen Sie. Meine eigenen Erfahrungen können das bestätigen, ich brauche nur die Arztpraxen in meiner unmittelbaren Umgebung durchzugehen. Gynäkologin: unmöglich für behinderte Menschen, Zugang zu finden; zwei von drei praktischen Ärzten in meinem Heimatort: unmöglich für behinderte Menschen; Dermatologe in der Bezirksstadt Liezen: unmöglich für behinderte Menschen; Neurologe in Liezen: unmöglich für behinderte Menschen; Röntgen-Facharzt, HNO-Facharzt, mein Zahnarzt: das Gleiche. Als behinderte Frau, als Rollstuhlfahrerin könnte ich all diese Praxen nicht betreten. – Und so gehen Sie mit diesen Menschen um!

Behinderte Menschen haben keine freie Arztwahl – schon heute nicht, sie sind schon dadurch benachteiligt! Und jetzt benachteiligen Sie sie ein zweites und ein drittes Mal, indem Sie ihnen noch Ambulanzgebühren vorschreiben. Erklären Sie bitte den behinderten Menschen, warum sie jetzt noch einmal zahlen müssen, wo sie ohnehin schon jede Menge an Nachteilen haben.

Das ist der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin, und das wissen Sie ganz genau. Sie wollen ein System treffen, aber Sie treffen immer wieder Menschen. Behinderte Menschen brauchen Ambulanzen, weil diese barrierefrei sind, weil sie dort einen Lift benützen können, weil sie dort rund um die Uhr Hilfe finden, weil sie höchstens jede zwölfte Arztpraxis ohne Barrieren betreten können, weil sie keine Chance haben auf die freie Arztwahl.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite