Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 92

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

13.49

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Familienpolitik, wie sie heute von Seiten der Regierungskoalition vorgestellt worden ist, entspricht eher einem Modell, das aus dem Jahre Schnee stammt und die Wirklichkeit überhaupt nicht widerspiegelt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Diese Familienpolitik wird den "Elchtest" nicht bestehen. Es zeigt sich auch anhand der Diskussionsbeiträge (Abg. Murauer: "Elch"! Redet von Kindern wie von Elchen!), dass sich nach wie vor das gesellschaftliche Modell, dass es in einer Partnerschaft einen herrschenden und einen dienenden Teil geben muss, auf die Familienpolitik auswirkt.

Ich denke, dass die Wirklichkeit ganz anders ausschaut und die Bevölkerung schon so viele unterschiedliche Lebensformen hat, dass man nicht mehr, so wie Herr Abgeordneter Graf, von "ungeordneten" Verhältnissen sprechen kann. Es würde mich auch sehr interessieren, was Sie damit meinen.

Ich denke, damit zeigen die Vertreter und Vertreterinnen der Regierungsparteien wieder, dass sie in die individuellen Lebenssituationen von Menschen eingreifen wollen. Das zeigt wiederum die veraltete Sichtweise, die überholt ist und die Familien in unserer Gesellschaft keinen Schritt weiterbringt. (Abg. Ellmauer: Familien werden nie überholt sein!) Menschen lassen sich im 21. Jahrhundert in kein Schema pressen, ganz im Gegenteil: Sie wollen ihre unterschiedlichen Träume und Lebensvorstellungen verwirklichen, und dabei brauchen sie Unterstützung und Kraft.

Wie sehen denn die Bedürfnisse von Familien aus? – Mein Vorredner hat vorhin vom sozialistischen Wien gesprochen und dieses gegeißelt. Ich denke mir: Wenn es nur überall so wäre wie in Wien, Herr Kollege, dann wären die Familienfreundlichkeit in der österreichischen Gesellschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Österreich wesentlich weiter! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

Es ist so, dass in Wien zwei Drittel aller Betreuungsplätze für die eineinhalb- bis dreijährigen Kinder da sind. Zwei Drittel all dieser Plätze in ganz Österreich befinden sich in Wien, und in Wien haben wir bei der Betreuung der drei- bis sechsjährigen Kinder eine Vollversorgung. Das hätte ich gerne auch in den anderen Bundesländern verwirklicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Neben der Kinderbetreuung, die von der Qualität und selbstverständlich auch vom Angebot her stimmen muss, ist es entscheidend, wie die Arbeitswelt gestaltet ist und dass wir eine familienfreundliche Arbeitswelt haben, die es Müttern und Vätern, Großmüttern und Großvätern ermöglicht, die Familienzeit und die Lebensarbeitszeit miteinander in Verbindung zu bringen. Da ist meiner Meinung nach schon ein sehr dezidierter Nebensatz gefallen: Irgendein Vorredner hat gemeint, man müsse die Kinderbetreuung irgendwie wirtschaftsfreundlicher machen. Dem kann man nur eine klare Absage erteilen. Das trägt wahrlich nicht dazu bei, dass Familienpolitik in Österreich groß geschrieben wird!

Es ist selbstverständlich auch wesentlich, dass für die Kinder Ausbildungschancen bereitgestellt werden. Hier macht die jetzige Regierungskoalition genau gegenteilige Schritte. Es zeigt sich meiner Ansicht nach, dass in Fragen der Familienfreundlichkeit von Seiten der Regierungsparteien eher Schalmeientöne daherkommen. Der Herzlichkeitsgrad in der Gesellschaft – wie das der Herr Bundeskanzler angesprochen hat – ist meiner Meinung nach mit all den Maßnahmen, die jetzt die Bundesregierung setzt, auf dem Gefrierpunkt.

Man muss sich auch anschauen, wie in unserer Gesellschaft Familien mit Kindern behandelt werden, wenn da sehr viele Funktionäre, auch von anderen politischen Parteien, hetzen, dass Kindergartenkinder in einem Hof in Wien spielen können und dass es dort dann Angriffe auf die Kinder gibt. Dem kann man nur eine klare Absage erteilen! Das zeigt auch das unterschiedliche Bild von Realität und Ankündigungen.


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