Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 133

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weise die Frage: Ist das Strafrecht heute, im 3. Jahrtausend, überhaupt irgendwie denkmöglich die geeignete Materie, um Menschen vor einer Wesenseigenschaft, die sie selber haben, die ihr So-Sein bestimmt, zu schützen?

Mit Verlaub, ich kann dem nicht folgen. Es scheint mir ein Kompromiss zu sein, ein Mindestalter festzulegen, obwohl ich junge Menschen kenne, die sogar unter 14 sind und denen ich eine erheblich höhere Reife nicht nur zutraue, sondern bei denen ich um diese Reife auch weiß als so manchem lange schon Erwachsenen. Aber in irgendeiner Form – und diese Debatte haben wir seit den Zeiten des Römischen Rechts – bedarf es im Sinne der Rechtsklarheit irgendeiner Richtschnur. Da scheint mir kein anderes Alter als jenes, das die Grenze für die Geschäftsfähigkeit und auch für eine gewisse Deliktsfähigkeit bildet – und das ist das 14. Lebensjahr –, angesagt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Da wir diese Grenze auch im Bereich der weiblichen Jugendlichen haben, sehe ich keinen Grund, der dagegen sprechen würde, zumal wir heute doch alle wissen, dass die Kinder, dass die jungen Leute – auch deshalb, weil wir von ihnen viel verlangen – eher früher reif werden. Da wollen wir sie mit einem abstrusen Alter vor sich selbst schützen und sie oder ihre Partner bestrafen, wenn sie freiwillig anders handeln?! – Mit Verlaub, ich halte das für einen Anachronismus, ja einen grausamen Anachronismus der Extraklasse! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Jarolim. )

Ich kann auch aus einem zweiten Grund dieser Debatte nicht wirklich folgen, denn für mich ist es eigentlich egal – und ich weiß, dass die Kollegen, die im Ausschuss waren, Wissenschafterinnen und Wissenschafter angehört haben –, wie ein Mensch zu dem Bündel an Eigenschaften kommt. Ich sage: Gott sei Dank sind Eigenschaften auch veränderlich. Ob es jetzt so ist, dass ein Mensch mit einer bestimmten sexuellen Orientierung geboren wird, oder ob diese in der frühkindlichen Entwicklung festgelegt wird oder sogar – was die Wissenschaft nicht sagt – später erworben würde: Welche Werthaltung wird denn hier unterstellt, wenn Sie strafrechtlich agieren und reagieren? Es wird unterstellt, dass es schlechter ist, wenn eine Mensch eine freiwillige sexuelle Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner oder einer gleichgeschlechtlichen Partnerin unterhält.

Mit Verlaub, woher nehmen Sie dieses Werturteil, dass die Liebe eines Mannes zu einem Mann oder die Liebe einer Frau zu einer Frau etwas Schlechteres ist, selbst wenn sie erworben sein sollte? Ich kann diesem Werturteil nicht folgen. Ich denke, alles, was frei bestimmt, gewollt ist, nicht unter irgendeinem Zwang, einem Druck oder einer eingeschränkten Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen – das halte ich für etwas sehr Schwerwiegendes –, zustande gekommen ist, das müssen wir als die Entscheidung eines Menschen akzeptieren. Damit basta! Das hat im Strafrecht kategorisch nichts verloren. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Dr. Jarolim und Dr. Fischer. )

Meine Damen und Herren! Mir kommt dieser ganze Paragraph und die Diskussion, die wir darüber führen, wirklich mittelalterlich vor. Das hat ungefähr dasselbe Niveau wie Strafen – vielleicht haben Sie davon gehört, dass es Tierprozesse gab –, bei welchen schwarze Katzen gerädert oder angezündet worden sind. Ich flehe Sie an: Es ist wirklich eine Schande für das ganze Land, dass es solche Bestimmungen noch gibt! Hören wir auf, da irgendwelche sehr umständlichen wissenschaftlichen Begründungen herzuholen, sondern machen wir eine moderne europäische Regelung! Diskutieren wir es im Ausschuss, aber stimmen Sie heute dieser Fristsetzung endlich zu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Lunacek, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 10/A betreffend Änderung des Strafgesetzbuches eine Frist bis 3. Juli 2001 zu setzen.


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