Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 141

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Das ist wahrlich nicht die Geschichte, die uns der Vorredner erzählen wollte, eine Erfolgsstory der Rechte der Minderheiten in Österreich. Meine Damen und Herren! Das Gegenteil ist der Fall. Und jeder, der auch nur einen Funken Ehrlichkeit im Leib hat, weiß es. Das ist nicht ein Erfolg der Politik, sondern es ist ein Erfolg der betroffenen Bürger und Bürgerinnen. Und die Politik tut halt das, was sie in der Regel tut oder was wir in diesem Gebiet praktisch fast exklusiv und ausschließlich kennen, nämlich reagieren.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist Ihnen nichts anderes übrig geblieben, als das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten zu novellieren oder uns eine Regierungsvorlage vorzulegen, und der Nationalrat hat gar keine andere Möglichkeit, als es zu novellieren. Aber der Nationalrat geht wieder einmal wie in zig anderen Fällen in diesem Zusammenhang – ich beziehe mich jetzt immer nur auf minderheitenrechtliche Angelegenheiten – den Weg, den er muss, aber keinen Millimeter weiter.

Das ist wieder so ein Beispiel dafür. Man muss den zweisprachigen Unterricht in der vierten Klasse einführen, der Verfassungsgerichtshof hat dieses Erkenntnis dahin gehend formuliert. Aber nicht, dass Sie glauben, dass jetzt der Gesetzgeber sagt, machen wir das gleich auch für die Hauptschulen, damit uns die Blamage eines Gangs von Bürgerinnen und Bürgern zum Verfassungsgerichtshof erspart bleibt. Nein, davon ist keine Rede, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil nämlich die ganze Sache von einem sehr einseitigen Geist getragen ist – der ehemalige Landeshauptmann von Kärnten ist ja sicher prädestiniert, über diesen Geist zu sprechen –, und zwar von dem einseitigen Blick, den man auf Grund des Mehrheitsblicks hat, würde ich jetzt sagen.

Ich halte es, geschätzter Herr Landeshauptmann außer Dienst Kollege Dr. Zernatto, im Jahr 2001, im dritten Jahrtausend für einen Anachronismus, wenn man heute davon spricht, dass Abstimmungen und Gebietsansprüche Faktoren sind, die die heutige Politik noch bestimmen. Es ist wirklich nur ein Anachronismus, denn heute geht es um ganz andere Sachen – ich möchte nicht wiederholen, was Kollegin Muttonen gesagt hat –: Heute geht es darum, dass wir in der Überwindung dieses Geistes die Chancen sehen. Es geht nicht um ein Recht, wie Sie gesagt haben. Wie haben Sie gesagt? – Es ist ein Recht der Volksgruppe und der Minderheit. Es ist heute die Chance Österreichs, eines bestimmten Teils von Österreich, ins dritte Jahrtausend einzutreten, indem man sich offensiv für Zweisprachigkeit einsetzt, wirbt, gesetzliche Grundlagen schafft. Man sollte dies nicht weiter als ein Defensivinstrument sehen, wo man irgendetwas abzuwehren hat, was real überhaupt nicht existiert. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Landeshauptmann Zernatto! Heute sind die, die zweisprachig sind, die Viferen, die Weltgewandteren, die am Arbeitsmarkt Attraktiveren. Und ich frage mich immer: Warum verwehrt der jetzige Landeshauptmann von Kärnten oder auch dieses Haus den Menschen in zweisprachigen Gebieten in Kärnten diese Chancen? Auch wenn man das nicht individuell in jedem Fall erkennt, hätte man beispielsweise diese Gelegenheit der Novellierung des Minderheiten-Schulgesetzes dazu nützen können, um dieses Anmeldeprinzip – das wahrlich nur eines verdient, nämlich abgeschafft zu werden – durch das Abmeldeprinzip, das sich im Burgenland mehr als bewährt hat, zu ersetzen.

Wäre noch viel Zeit, Herr Landeshauptmann und Frau Bundesministerin, könnte ich jetzt nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus der Betroffenheit in der Sorge um dieses Land hinsichtlich seiner künftigen Wettbewerbsfähigkeit in einem vereinten Europa berichten. – Herr Dr. Mitterlehner, das ist ja Ihr Spezialgebiet: die Wettbewerbsfähigkeit, sozusagen die Mobilität der Menschen, sowohl die geistige als auch die physische Mobilität, damit wir uns auch europareif machen. (Abg. Kopf: Lassen Sie das lieber bei ihm!)

Die zweisprachigen Menschen sind ein Vorbild, und die zweisprachigen Gebiete dieses Landes sind so etwas wie Musterregionen. Nur die Politik ist nicht imstande, das zu erkennen, sondern argumentiert immer noch so wie mein Vorredner, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber das passiert ja alles in einem Umfeld, wo man vor nichts mehr zurückschreckt, wo man wirklich nicht vor Dingen zurückschreckt, die es zwanzig Jahre lang nicht gegeben hat, etwa vor


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