Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 164

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wieser) bezüglich der gestrigen Verhandlungen gegeben haben, der Wahrheit entspricht. Da folge ich meinem Kollegen Amon und den Medien, die authentische Zeugen waren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich in der Frage der Behindertenintegration zu den Grundlagen und Grundsätzen kommen. Jeder Mensch hat Anspruch auf Bildung – das ist nicht nur ein Menschenrecht, das ist auch ein Bürgerrecht und in jedem Fall unbestritten. Der Staat hat dazu öffentliche Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Zur Zeit Maria Theresias war es die sechsjährige allgemeine Volksschule, und am Beginn unseres Jahrhunderts sind wir so weit, dass wir unseren Schülern ein sehr ausdifferenziertes Schulsystem anbieten können.

Ich erinnere mich noch daran, wie in den späten sechziger und zu Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts die schulische Ausdifferenzierung als pädagogische Weisheit so weit reichte, dass – angeführt vom damaligen SPÖ-Stadtschulratspräsidenten Schnell; das sage ich, weil er auch ein Lehrerfunktionär dieser Organisation war – die sozialdemokratischen Lehrer für die Einrichtung von Sonderschulen sogar für Legastheniker auf die Straße gingen. Eigene Schulen für Legastheniker wurden gefordert – es konnte gar nicht genug segregiert werden!

Ich bin damals schon nicht mitgegangen. So extrem, wie Sie offenbar damals für die Segregation waren, so extrem – ich füge hinzu: so undifferenziert und so unbedacht – sind Sie auch heute wieder für einen, nur diesmal anderen, extremen Weg. Diese Haltung teile ich nicht. Schülerinnen und Schüler, junge Menschen sollen nicht Probanden für ideologische Versuche sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass wir auf die Amtsperiode Elisabeth Gehrer I zurückblicken können, in der die Meilensteine für die Weiterführung der Integration in der Sekundarstufe gelegt wurden. Ich erinnere mich noch an die diesbezügliche Debatte, wir sagten damals sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum: Sekundarstufe I, Erfüllung der Pflichtschulzeit, 9. Schuljahr, 15. Lebensjahr. Kein Mensch hat die Weiterführung darüber hinaus angesprochen, weil wir sonst über die Reform der Sonderschule, des Sonderschullehrplans und sonstiger notwendiger Grundlagen hätten diskutieren müssen. Die Sonderschule endet mit dem 15. Lebensjahr.

Geschätzte Damen und Herren! Vergessen wir nicht, dass das, was jetzt unter dem Titel Integration – also Nicht-Behinderte und Behinderte in AHS und Hauptschule unter einem Dach – geschieht, eigentlich zwei Schulen sind: Die eine Gruppe der Kinder wird von einer eigenen Lehrkraft nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet und gefördert, die andere Gruppe nach dem AHS-Lehrplan. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Ja, so ist es!

Es gehören zur Schule, damit sie als Bildungsinstitution erkennbar und identifizierbar ist, wesentliche Aufgaben, das heißt, dass sie die Bildungsaufgabe über den Lehrplan wahrnimmt. Zur gesellschaftlich-sozialen Integration ist sie auch aufgerufen, aber nimmt man der Schule die Bildungsaufgabe weg oder marginalisiert man diese, dann ist die Schule kaputt, dann ist die Schule verwechselbar mit irgendeinem anderen Aufenthaltsort, an dem man flaniert, sich die Zeit vertreibt und zufällig auch etwas lernt. Noch einmal: Der Ort der institutionalisierten und intentionalen Lernprozesse ist die Schule, und da steht die Bildungsaufgabe im Zentrum!

Ich meine auch, wenn wir diese Perspektive verlieren (Abg. Heinisch-Hosek: ... überhört!)  – da können Sie den Kopf schütteln, soviel Sie wollen, da ist es nur wichtig, dass Sie Literatur dazu lesen; wenn Sie diese ... (Abg. Heinisch-Hosek: Wie Sie?) Ja, ich, weil ich mich auf dem Laufenden halte. (Abg. Heinisch-Hosek: ... Praxis!)  – Wenn Sie diese Perspektive verlieren, dann gehen Sie auch an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler als den Betroffenen vorbei.

Noch einmal: Ich bin dankbar für die Klarstellung. Ich hatte eine Studentin mit Sinnesbehinderung, die jetzt die Präsidentin der Gehörlosen ist; sie sagt, wohin uns eine ignorante Integrationsphilosophie gebracht hat, indem sie die Kompensation vergessen hat, die für Ausfälle zu leisten wäre – Ausfälle, die entstanden sind, weil vielfach Wesentliches vergessen und auf der


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