Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 174

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Meine Damen und Herren! Mein Thema heute ist die Politische Bildung. Zu Beginn eine traurige Tatsache: 5 500 Lehrerinnen und Lehrer weniger wird es im kommenden Schuljahr geben. Das wird sich auf der einen Seite sicherlich dramatisch auf die jungen Pädagoginnen und Pädagogen auswirken, die auf der Straße stehen werden, und auf der anderen Seite wird es sich noch dramatischer auf die Kinder in unseren Schulen auswirken, nämlich auf die persönliche Zuwendung in der Schule, über die heute auch schon – viel zu wenig zwar, aber immerhin doch – von meinen Kolleginnen und Kollegen gesprochen wurde.

Am Vormittag haben Sie so oft behauptet, dass die Kinder das Wertvollste in unserer Gesellschaft seien. Wenn ich mir aber diese negative Sparpolitik anschaue, dann lässt mich das das Gegenteil vermuten. Sie haben heute im Laufe des Vormittags immer wieder bekräftigt, dass die Zukunft unserer Kinder nach dem dritten Lebensjahr endet. Das haben Sie doch mehrmals gesagt! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Politik nicht über das dritte Lebensjahr hinauskommt. Eine Politik, die diese Schranke nicht überwindet, ist eine Sandkastenpolitik, meine Damen und Herren! Um uns nur mit Sandkastenspielen zu beschäftigen, dafür ist uns das Thema heute viel zu wichtig! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie ein Spielchen kommt mir nämlich auch die Diskussion um die Politische Bildung vor, meine Damen und Herren. "Geschichte und Sozialkunde" nur dem Namen nach zu ersetzen und in der 7. und 8. Schulstufe in "Geschichte und Politische Bildung" umzuwandeln, das ist wahrlich leichte Kost, meine Damen und Herren, schwer verdaulich allerdings, das gebe ich zu. Bitte lassen Sie mich darlegen, warum.

Bereits im Jahr 1974 gab es unter dem damaligen Unterrichtsminister Fred Sinowatz den Plan zur Errichtung eines eigenen Faches "Politische Bildung". Der war damals bereits viel weitgehender und fortschrittlicher als der jetzige Entwurf. Drei Mal dürfen Sie raten, woran es gescheitert ist. – An der ÖVP natürlich, weil sie dagegen war und das verhindert hat. Daher sind Ihre Aussagen, Frau Bundesministerin Gehrer, dass nun endlich, nach jahrzehntelangen Forderungen der ÖVP dieses Fach eingeführt wird, wahrlich im Reich der Märchen anzusiedeln. Ja, wir wollen Politische Bildung, Sie wollen sie auch. Es geht jetzt allerdings darum, wie wir es machen, und das unterscheidet uns.

Vielleicht sollten wir uns überhaupt fragen: Was ist denn Politische Bildung? Wenn ich Sie frage, können Sie es mir erklären, was es umfassend bedeutet? Es wäre nämlich wichtig, das jetzt ganz genau darzulegen, aber die Zeit fehlt mir. (Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen wegen des allgemein hohen Lärmpegels im Saal.) Sie würden sofort draufkommen, dass die 7. und 8. Klasse bei weitem nicht ausreicht, um dem allumfassenden bildungspolitischen Anspruch der Politischen Bildung gerecht werden zu können.

Lassen Sie mich noch ganz kurz aus dem Grundsatzerlass zitieren, um Ihnen diesen umfassenden Auftrag näherzubringen: Politische Bildung ist einerseits Vermittlung von Wissen und Kenntnissen – keine Frage –, Politische Bildung ist aber auch Entwicklung von Fähigkeiten und Einsichten, und Politische Bildung ist die Weckung von Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Handeln.

Ja, das wollen wir! – aber bitte, warum erst in der 7. Klasse AHS? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie etwas anderes wollen. Wir wollen eigenständige, kritische, demokratiebewusste, tolerante Kinder und Jugendliche, die mitreden und mitgestalten können. Doch das wollen Sie anscheinend nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen wählen mit 16 Jahren, wir wollen das Fach "Politische Bildung" ab der 5. Schulstufe. Wir wollen deftige Kost, keine Light-Variante. Ja, das wollen wir, meine Damen und Herren!

Uns ist sehr bewusst, dass Schule mehr ist als eine Erziehungsanstalt zur Wissensvermittlung. Sie ist nämlich ein Ort von zwischenmenschlichen Beziehungen, der das Leben von jungen Menschen nachhaltig beeinflussen kann. Im Sinne dessen, dass es um die geht, die jetzt Hauptgegenstand dieses Antrages sein sollten, möchte ich zwei Abänderungsanträge zum Fach "Politische Bildung" einbringen.


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