Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 132

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Ich möchte fortsetzen: Das Demokratieverständnis der Österreichischen Volkspartei spricht, wie ich meine, Bände, und ich finde es auch bemerkenswert, Herr Spindelegger ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Danke, ich würde gerne fortsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Spindelegger, Sie haben als Beispiel für Renationalisierung die Naturschutzrichtlinien genannt – eine wirklich krause Idee. Ich finde das wirklich "bemerkenswert". Ich finde das nämlich deswegen "bemerkenswert", weil das die Lizenz zum weiteren Ausrotten von Tier- und Pflanzenarten, zum weiteren Töten wäre. In diesem Bereich sind gegen Österreich über 20 Verfahren wegen Verletzung von europäischem Naturschutzrecht anhängig. Ich weiß schon, warum die ÖVP das wieder zu den Länderkompetenzen zurückhaben möchte: damit sie ganz schlicht und ergreifend weiter ausrotten kann. (Abg. Kiss: Das ist eine Unterstellung!) Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass Sie als Beispiel für Renationalisierung die Naturschutzrichtlinien nennen. Das ist der einzige Bereich, wo die Europäische Union wirklich unbestritten Positives für Österreich bewirkt hat und wo wir nicht fähig sind, das zu 100 Prozent in unser Recht umzusetzen. Das ist wirklich ein Armutszeugnis! (Beifall bei den Grünen.)

Die Aussage mit dem "blauen Brief" von Herrn Schweitzer habe ich schon erwähnt. Es ist wirklich lächerlich, wenn man sichtlich so wenig Wissen darüber hat, wie Österreich und die Europäische Kommission sich im Moment ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Nein, Herr Kollege Schweitzer, das mit dem "blauen Brief" ist wirklich so absurd. Ich würde Sie bitten, dass Sie darauf achten, dass Österreich die Verpflichtungen, die aus EU-Recht erwachsen, zu 100 Prozent erfüllt.

Ich möchte auch noch kurz zu einem weiteren Thema kommen: Bürgerthemen, etwas, was auch Sie, Herr Bundeskanzler, angeschnitten haben. Sie haben bemerkenswerterweise zuerst vergessen, den letzten Punkt der Dringlichen Anfrage zu behandeln, und zwar die Reform des EURATOM-Vertrages. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie offensichtlich öfters über das Atomthema hinwegblättern. Es ist "erstaunlich", dass bei dem Konzept, das Sie hier anstreben, EURATOM zu reformieren, bei der Idee, die Gründungsverträge, die seit 1957 in einer anachronistischen Fortführung immer noch aufrecht sind, nämlich für die Europäische Gemeinschaft Kohle und Stahl auf der einen Seite und EURATOM auf der anderen Seite, endgültig zu ändern, nicht nur aus nuklearsicherheitstechnischen Überlegungen, sondern weil wir den europäischen Atomausstieg wollen, das Wort "Ausstieg" in Ihren Ausführungen überhaupt nicht vorgekommen ist.

Sie vertreten das Konzept von europäischen Sicherheitsstandards. Wenn wir darüber reden, die Gründungsverträge zu reformieren, EURATOM endgültig nach 50 Jahren zu reformieren, wo es eine Sonderwirtschaftszone für einen Industriezweig gibt, der intransparent ist, wo es massive Geldflüsse, Milliarden an Subventionen gibt, also eine Sonderwirtschaftszone, die durch nichts mehr zu rechtfertigen ist, dann darf am Ende dieser Diskussion nicht ein Sicherheitskonzept für neue Atomkraftwerke stehen, sondern dann muss am Ende dieser Diskussion endgültig der Atomausstieg stehen.

Ich habe es Ihnen schon einmal von diesem Rednerpult aus gesagt: Wenn Sie in diese Falle tappen, Sicherheitsstandards ohne Restlaufzeiten, ohne europäischen Atomausstieg auf der europäischen Ebene voranzutreiben, dann machen Sie sich zum Diener der europäischen Atomwirtschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte Sie von dieser Stelle aus noch einmal dringend auffordern, das Konzept EURATOM zu reformieren. Die Gründungsverträge zu reformieren ist nur dann sinnvoll, wenn Sie dies mit der großen österreichischen Forderung nach einem europäischen Atomausstieg verbinden. Ich würde mir wünschen, das einmal aus Ihrem Mund zu hören.

Abschließend noch: Angesichts dessen, was heute teilweise auch an krausen Vorstellungen der Freiheitlichen hier zu erkennen war, muss man noch einmal sagen: Es ist keine rot-weiß-rote Kasterldebatte, sondern es geht hier um eine ganz andere Ebene, es geht hier um die Frage: Wie errichtet man ein Europa jenseits von nationalistischem Interessendenken?


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