Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 134

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Genau dieser Geist ist es, der Europa nicht einigt, genau dieser Geist war es auch, der letztlich die Sanktionen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft – mit Ausnahme Österreichs natürlich – gegen Österreich mit veranlasst hat, der dazu geführt hat, dass man einfach über einen relativ kleinen Staat drüberradiert hat. Wie war das jetzt beispielsweise mit Italien, wo auch eine Regierung an die Macht gekommen ist, die nicht im linken Mainstream beheimatet ist? – Darum hat man sich nicht geschert.

Meine Damen und Herren! Das, was ich sagen will, ist, dass es nicht so sein kann, dass sich zwei, drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu einer Pseudoelite aufspielen, selbst davon sprechen, dass sie zur Avantgarde Europas gehören, und die anderen dürfen nur mehr mitschwimmen, und bei Bedarf werden die Kleinen niedergestimmt. Meine Damen und Herren! So kann es nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn wir von der europäischen Verfassung sprechen, dann sprechen wir klarerweise auch von den Menschenrechten. Ich bin völlig d’accord mit dem geschätzten Kollegen Schieder, der davon gesprochen hat, dass es wohl das Einfachste wäre, wenn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten würden. Hier gibt es eine gesicherte Judikatur, auch wenn diese Judikatur manchmal durchaus Anlass zu Kritik gibt, wie etwa die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, auch in Fragen der Redefreiheit, der Meinungsfreiheit, etwa im Fall des Kollegen Dieter Posch, um nur einen Fall anzusprechen, wo man doch den Eindruck hat, dass bisweilen auch ein Freibrief zur Beleidigung von Politikern ausgestellt wird. Das ist meiner Meinung nach auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch gibt es hier die entsprechenden Rechtsnormen, gibt es eine gesicherte Judikatur, auf die man sich letztlich verlassen kann.

Ich darf nun die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ganz kurz ergänzen. Ich kenne die derzeitigen Rechtsschutzmöglichkeiten, die Bürger, aber auch juristische Personen, Firmen und so weiter, in der Europäischen Gemeinschaft genießen, aus meiner anwaltlichen Praxis und bin nicht unzufrieden damit. Ich darf darauf hinweisen, dass erst vor einigen Jahren der Europäische Gerichtshof in Luxemburg quasi eine Unterabteilung eingerichtet hat, das so genannte Gericht der ersten Instanz, an das sich gerade der einzelne Bürger oder das einzelne Unternehmen wenden kann, der beziehungsweise das in seinen Rechten individuell und unmittelbar betroffen ist.

Ich darf darauf verweisen, dass etwa ein Bürger der Europäischen Union, wie etwa Herr Bosman, sein Recht durch eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hat, dass es wirklich relativ gut ausformulierte Rechtsschutzmöglichkeiten gibt, etwa die Untätigkeitsklage. Wenn sich ein Bürger an die Europäische Kommission wendet und die Europäische Kommission durch Untätigkeit glänzt, dann besteht die Möglichkeit, das entsprechende Organ der Europäischen Union zur Tätigkeit aufzufordern. Wenn dieses nicht tätig wird, kann man eine Untätigkeitsklage einbringen. Oder wenn eine Entscheidung etwa durch die Europäische Kommission ausgesprochen wird und ich damit nicht zufrieden bin, dann kann ich mich mit einer Nichtigkeitsklage an das Gericht der ersten Instanz wenden.

Ich glaube gar nicht so sehr, dass unsere innerstaatlichen Regeln, wie der einzelne Bürger zum Verfassungsgerichtshof kommt, unmittelbares Vorbild sein sollten, denn wir wissen – Kollegin Glawischnig wird mir als Juristin in diesem Fall sicher Recht geben –, dass Individualanträge auf Aufhebung eines Gesetzes in Österreich zwar gestellt werden können, aber nach der Statistik zu 85 Prozent wieder zurückgewiesen werden, weil der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur feststellt, dass man den Instanzenweg, der manchmal sehr kostspielig ist und auch lange dauert, beschreiten muss und erst nach einer letztinstanzlichen Entscheidung dann zum Verfassungsgerichtshof kommt. Es ist also relativ schwierig, unseren Verfassungsgerichtshof mit einem individuellen Anliegen eines Bürgers zu befassen. Das Gegenteil ist etwa bei den Gerichten der Europäischen Union, aber auch beim Deutschen Bundesgerichtshof der Fall.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Ich habe gesagt, wenn wir von einer europäischen Verfassung sprechen, dann sprechen wir auch von den Menschenrechten, und wenn wir von


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