Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 103. Sitzung / Seite 83

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12.18

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Viel wurde bei den Beratungen zum Bildungs-Volksbegehren über die so genannte PISA-Studie gesprochen. Auch wenn die Interpretationen teilweise unterschiedlich ausgefallen sind, so ist doch klar, dass die Staaten, die bei dieser Studie ganz vorne liegen, auch ein sehr hohes Sozialprodukt aufweisen.

Unseren hohen Lebensstandard in Österreich können wir uns nur mit einem hohen Bildungsstandard erhalten. Überall dort, sehr geehrte Damen und Herren, wo Bildung privatisiert wird, sinkt der Bildungsgrad, weil sich viele eine privatisierte, kostenpflichtige Bildung nicht leisten können. Daher sind die Einführung von Studiengebühren und die Nichtvalorisierung von Schülerbeihilfen Schritte in die bildungspolitisch falsche Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich ist das Bildungssystem ständig zu hinterfragen, es muss immer wieder optimiert werden und hat immer neuen Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Darüber herrscht in unserer Gesellschaft Konsens. Die Meinungen gehen aber sehr weit auseinander, wenn es um die Frage geht, wie viel das Bildungssystem dem Staat wert ist und was die Familien für die Ausbildung ihrer Kinder, was die Erwachsenen für ihre Weiterbildung beitragen sollen und müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass alle Menschen in unserem Staat dieselben Bildungschancen haben sollen. Studiengebühren und andere Schranken sind daher abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es sind aber auch strukturelle Schwächen, die geographische Ursachen haben, zu beseitigen. Mich als Tirolerin hat es sehr betroffen gemacht, als Professor Olechowski vom Institut für Erziehungswissenschaften in Wien im Unterausschuss des Unterrichtsausschusses erläuterte, dass die Bevölkerung in den Ballungszentren der westlichen Bundesländer, vor allem aber die Bevölkerung in ländlichen Gebieten bildungspolitisch beziehungsweise schulorganisatorisch sehr stark benachteiligt wird.

Davon kann ich ein Lied singen, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man zum Beispiel im Zillertal zur Schule geht, dort ein Gymnasium besuchen möchte, dann braucht man schon eine Dreiviertel- bis eine Stunde Anfahrtszeit, wenn man im hinteren Zillertal wohnt. Das ist für Sie (in Richtung des Abg. Amon) vielleicht nur eine Handbewegung wert, aber das ist für diese Kinder ein Problem. Wenn man einen Beruf erlernt hat, Herr Amon, und einen zweiten Bildungsweg absolvieren möchte, dann muss man seine angestammte Heimat verlassen und in die Landeshauptstadt ziehen, und das ist bildungspolitisch nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Abschaffung der Studiengebühren ist eine wichtige Maßnahme, damit die Schranken fallen. Wenn diese Regierung und auch die Rednerinnen und Redner der Regierungsparteien immer wieder betonen, dass diese Gebühren keine Auswirkungen auf den Bildungszugang haben, dann möchte ich dem entgegnen, dass ich der Überzeugung bin, dass den Studierenden, deren Eltern geringere Einkommen haben, der Bildungszugang zu den Universitäten dadurch erschwert wird; ich rede jetzt auch von den berufstätigen Studierenden.

Weil Sie auch immer wieder behaupten, dass sich die Zahl der weiblichen Studierenden durch die Einführung der Studiengebühren nicht signifikant verändert hat (Abg. Amon: Mehr Frauen!), nenne ich als Beispiel Innsbruck: 20 Prozent weniger weibliche Erstinskribierende an der Universität Innsbruck! Das ist eine signifikante Zahl, das ist Faktum, und das sollte auch für Sie ein Warnsignal sein. 20 Prozent weniger Frauen haben im Wintersemester 2001 an der Universität Innsbruck inskribiert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Amon: Da ist ein Plus bei den weiblichen Studierenden, kein Minus!)

Meine Damen und Herren! Mit der Politik dieser Regierung, kommt wieder eine Zeit, in der – und das ist meine Befürchtung – vor allen Dingen die Betuchten und nicht die Begabten auf den Universitäten studieren werden. Wenn wir wissen – und das wissen wir alle aus dem Bericht zur sozialen Lage der Studierenden –, dass nahezu 80 Prozent der Studierenden berufstätig sind,


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