Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 103. Sitzung / Seite 125

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Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, ihren eigenen Ministerratsbeschluss vom 30.4.2002 über eine "Österreichische Strategie für eine Nachhaltige Entwicklung" und insbesondere das darin festgehaltene Ziel "einer schrittweisen Umsetzung einer sozial ausgewogenen ökologischen Steuerreform und Steuerbegünstigungen bis zum Jahre 2005" umzusetzen.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages sowie die Abhaltung einer Debatte gem. § 74a (1) iVm § 93 (2) GOG verlangt.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, Sie haben das Wort zur Begründung. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.02

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist doch etwas außergewöhnlich, dass eine Oppositionspartei, dass die Grünen als Dringlichen Antrag ein Konzept einbringen, eine Formulierung einbringen, die wortidentisch im Ministerrat beschlossen worden ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stummvoll. ) Es ist durchaus außergewöhnlich, dass wir uns Sorgen machen, dass Konzepte, die Sie selbst beschließen, innerhalb kürzester Zeit keinen Stellenwert mehr haben sollen, und dass wir uns darum sorgen, dass das doch vielleicht mittelfristig einmal umgesetzt werden soll. Das ist doch etwas außergewöhnlich. (Beifall bei den Grünen.)

Doch das außergewöhnlich schlechte Gedächtnis der Freiheitlichen Partei und die außergewöhnlich geringe Verantwortung der ÖVP, zu Zukunftskonzepten zu stehen und sie zu argumentieren, haben uns zu diesem Schritt veranlasst, dass wir heute als Dringlichen Antrag die Aufforderung zu einer schrittweisen Umsetzung einer sozial ausgewogenen ökologischen Steuerreform und Steuerbegünstigung bis zum Jahr 2005 einbringen.

Warum ist das so? – Unser Bundeskanzler hat in den letzten Monaten große Verpflichtungen übernommen. Beim Nachhaltigkeitsgipfel in Göteborg hat er sich verpflichtet, eine Nachhaltigkeitsstrategie vorzulegen. Dies alles als Vorarbeit, als Vorbereitung für den großen Umwelt- und Entwicklungsgipfel, der dieses Jahr im August in Johannesburg stattfindet. Das Lieblingswort auch unseres Umweltministers ist "Nachhaltigkeit"; er spricht immer wieder von "nachhaltiger Landwirtschaft". Auch "ökosoziale Marktwirtschaft" kommt sehr oft vor. Nach monatelangen Vorarbeiten auf Expertenebene und nach einer großen Präsentation des Erstentwurfs der Nachhaltigkeitsstrategie mit Pomp und Trara in der Hofburg durch den Herrn Bundeskanzler wurde dann am 30. April eine österreichische Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen, die genau diese Worte beinhaltet: Eine schrittweise Umsetzung einer sozial ausgewogenen ökologischen Steuerreform. – Alles sehr positiv, wir freuen uns.

Doch was passiert dann? – Zunächst einmal passiert gar nichts. Da gibt es nur dieses sinnvolle Konzept: "Arbeit schaffen – Umwelt entlasten", und zwei Wochen danach, nachdem es eine mediale Berichterstattung darüber gegeben hat, Details dieses Konzepts, dieser Nachhaltigkeitsstrategie in der Öffentlichkeit diskutiert werden, folgt ein peinliches Schauspiel, das durch nichts zu überbieten ist: Einzelne Regierungsmitglieder distanzieren sich von ihrem eigenen Beschluss, zeigen sich erschrocken und schockiert. Die Vizekanzlerin behauptet, das sei alles völlig aus der Luft gegriffen, ortet boshafte Medienberichterstattung – wieder einmal war der ORF an allem schuld. Klubobmann Westenthaler sagt, dieses Konzept sei völlig ohne Bedeutung. Es werden Verschwörungstheorien entwickelt, man spricht von gezielter Indiskretion. Der Bundeskanzler verweigert jegliche Diskussion über das Konzept. Klubobmann Khol distanziert sich, und heute zu Mittag distanziert sich sogar der Umweltminister von seinem eigenen Konzept, drei Wochen, nachdem es im Ministerrat einstimmig beschlossen worden ist! Wenn das nicht ein peinliches Schauspiel ist, was dann? (Beifall bei den Grünen.)

Keiner will es gewesen sein, keiner hat irgendeine Verantwortung für dieses Konzept übernommen, allen ist es peinlich. Die, die sich erinnern können, sagen, dass es überhaupt keine Be


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