Und nun komme ich
zur Frage des Völkerrechtes und frage Sie, Herr Bundeskanzler: Was heißt das:
„in der Mitte stehen“? Was heißt das, wenn es auf der einen Seite das
Völkerrecht gibt und auf der anderen Seite das Recht des Stärkeren? Warum
beschließt dann der österreichische Bundeskanzler, „in der Mitte“ zu stehen?
Warum, Herr Bundeskanzler, begeben Sie sich in das politische Niemandsland
zwischen Völkerrecht und Recht des Stärkeren und sind nicht in der Lage,
eindeutig zu erklären, die Republik Österreich mit dem Bundeskanzler an der
Spitze steht auf der Seite des Völkerrechts gegen das Recht des Stärkeren und
gegen die Anmaßung der USA? (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Diese Frage, Herr
Bundeskanzler, hat der Herr Vizekanzler mit seiner Formulierung, die USA treten
das Völkerrecht mit Füßen, zum Glück – ich hoffe, im Namen der
Bundesregierung – an Ihrer Stelle beantwortet.
Wie soll es jetzt
weitergehen? – Das Völkerrecht qualifiziert ganz wenige Tatbestände als
außerordentliche Verbrechen. Dazu gehört der Völkermord und der nicht
legitimierte Angriffskrieg. Wir sind jetzt in der in jeder Hinsicht
unangenehmen Situation, politisch auch darüber befinden zu müssen, ob sich die
politische Führung der größten Demokratie dieser Welt, der während und nach dem
Zweiten Weltkrieg Europa so viel zu verdanken hat, mit diesem Angriffskrieg
eines Verbrechens dieser Qualität schuldig macht.
Das ist keine
leichte Entscheidung. Das ist nicht etwas, was man auf die leichte Schulter
nehmen soll. Aber wenn das geduldet wird, und wenn man sich ins Niemandsland
begibt, dann sagt man damit praktisch: Ihr könnt so weitermachen –
vielleicht im Iran, vielleicht im Sudan, wo bereits die Kriegsvorbereitungen
von Djibuti und von Kenia aus laufen, vielleicht anderswo.
Genau darum geht
es: Rechtzeitig den USA und ihrer politischen Führung klar zu machen, dass
dieser Weg nicht weiter gegangen werden kann und dass es in Europa hoffentlich
bald eine einzige, gemeinsame Stimme gegen diesen fortgesetzten Bruch des
Völkerrechtes und gegen die Missachtung der internationalen Einrichtungen gibt.
Das ist meine Hoffnung! (Beifall bei den Grünen.)
Wenn etwas sich
positiv entwickeln kann, dann ist das das gemeinsame Bewusstsein, dass die
Nachkriegszeit in der europäischen Sicherheitspolitik jetzt zu Ende geht. Die
Haltung von Blair und Aznar sind Erinnerungen an eine Abhängigkeit Europas von
den USA, die die europäische Sicherheit garantiert hat. Wir werden in Zukunft
als Europäer die Verantwortung für unsere Sicherheit selbst übernehmen müssen.
Die Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemeinschaft an Stelle der NATO
und an Stelle eines von den Amerikanern geführten militärischen Blockes.
Europa – und
insbesondere die Bundesrepublik – ist jetzt zum Aufmarschgebiet für die
Intervention geworden. Die Intervention ist nicht durch Europa geführt worden,
aber hauptsächlich von Europa aus. Auch damit muss Schluss sein! (Beifall bei den Grünen.)
Die 114 000
amerikanischen Soldaten, die heute noch in Europa stehen, braucht Europa nicht,
brauchen wir nicht für unseren Schutz. Wir können diese Verantwortung selbst
übernehmen. Ich bin dafür, dass die Soldaten der amerikanischen Streitkräfte in
die USA zurückkehren und Europa nicht mehr für Interventionen gegen das
Völkerrecht missbraucht wird! (Beifall
bei den Grünen.)
Was können wir
jetzt tun? – Erstens können wir Hilfe und Schutz geben, vor allem den bedrohten
Kurden des Nordirak. Die türkische Intervention, der türkische Angriff steht
kurz bevor, und Europa muss alles
tun, um das in letzter Minute zu verhindern.
Und zweitens – das ist ganz wichtig – sollten wir das andere Amerika unterstützen. Jeden Tag sehen wir, es gibt ein anderes, es gibt ein demokratisches, es gibt ein friedliches, es gibt ein den Vereinten Nationen zugewandtes Amerika, und dieses Amerika braucht die europäische Unterstützung! Dieses Amerika hat sich an Europa gewendet, und viele Prominente in den USA sagen: Unterstützt auch unseren Widerstand gegen die Regierung Bush! – Da gibt es eine neue Achse, da gibt es eine neue Allianz, und da gibt es eine neue Partnerschaft, und diese euro-