Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 62

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Und nun komme ich zur Frage des Völkerrechtes und frage Sie, Herr Bundeskanzler: Was heißt das: „in der Mitte stehen“? Was heißt das, wenn es auf der einen Seite das Völkerrecht gibt und auf der anderen Seite das Recht des Stärkeren? Warum beschließt dann der österreichische Bundeskanzler, „in der Mitte“ zu stehen? Warum, Herr Bundeskanzler, begeben Sie sich in das politische Niemandsland zwischen Völkerrecht und Recht des Stärkeren und sind nicht in der Lage, eindeutig zu erklären, die Republik Österreich mit dem Bundeskanzler an der Spitze steht auf der Seite des Völkerrechts gegen das Recht des Stärkeren und gegen die Anmaßung der USA? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Frage, Herr Bundeskanzler, hat der Herr Vizekanzler mit seiner Formulierung, die USA treten das Völkerrecht mit Füßen, zum Glück – ich hoffe, im Namen der Bundesregierung – an Ihrer Stelle beantwortet.

Wie soll es jetzt weitergehen? – Das Völkerrecht qualifiziert ganz wenige Tatbestände als außerordentliche Verbrechen. Dazu gehört der Völkermord und der nicht legitimierte Angriffs­krieg. Wir sind jetzt in der in jeder Hinsicht unangenehmen Situation, politisch auch darüber befinden zu müssen, ob sich die politische Führung der größten Demokratie dieser Welt, der während und nach dem Zweiten Weltkrieg Europa so viel zu verdanken hat, mit diesem Angriffskrieg eines Verbrechens dieser Qualität schuldig macht.

Das ist keine leichte Entscheidung. Das ist nicht etwas, was man auf die leichte Schulter nehmen soll. Aber wenn das geduldet wird, und wenn man sich ins Niemandsland begibt, dann sagt man damit praktisch: Ihr könnt so weitermachen – vielleicht im Iran, vielleicht im Sudan, wo bereits die Kriegsvorbereitungen von Djibuti und von Kenia aus laufen, vielleicht anderswo.

Genau darum geht es: Rechtzeitig den USA und ihrer politischen Führung klar zu machen, dass dieser Weg nicht weiter gegangen werden kann und dass es in Europa hoffentlich bald eine einzige, gemeinsame Stimme gegen diesen fortgesetzten Bruch des Völkerrechtes und gegen die Missachtung der internationalen Einrichtungen gibt. Das ist meine Hoffnung! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn etwas sich positiv entwickeln kann, dann ist das das gemeinsame Bewusstsein, dass die Nachkriegszeit in der europäischen Sicherheitspolitik jetzt zu Ende geht. Die Haltung von Blair und Aznar sind Erinnerungen an eine Abhängigkeit Europas von den USA, die die europäische Sicherheit garantiert hat. Wir werden in Zukunft als Europäer die Verantwortung für unsere Sicherheit selbst übernehmen müssen. Die Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemein­schaft an Stelle der NATO und an Stelle eines von den Amerikanern geführten militärischen Blockes.

Europa – und insbesondere die Bundesrepublik – ist jetzt zum Aufmarschgebiet für die Interven­tion geworden. Die Intervention ist nicht durch Europa geführt worden, aber hauptsächlich von Europa aus. Auch damit muss Schluss sein! (Beifall bei den Grünen.)

Die 114 000 amerikanischen Soldaten, die heute noch in Europa stehen, braucht Europa nicht, brauchen wir nicht für unseren Schutz. Wir können diese Verantwortung selbst übernehmen. Ich bin dafür, dass die Soldaten der amerikanischen Streitkräfte in die USA zurückkehren und Europa nicht mehr für Interventionen gegen das Völkerrecht missbraucht wird! (Beifall bei den Grünen.)

Was können wir jetzt tun? – Erstens können wir Hilfe und Schutz geben, vor allem den be­drohten Kurden des Nordirak. Die türkische Intervention, der türkische Angriff steht kurz bevor, und Europa muss alles tun, um das in letzter Minute zu verhindern.

Und zweitens – das ist ganz wichtig – sollten wir das andere Amerika unterstützen. Jeden Tag sehen wir, es gibt ein anderes, es gibt ein demokratisches, es gibt ein friedliches, es gibt ein den Vereinten Nationen zugewandtes Amerika, und dieses Amerika braucht die europäische Unterstützung! Dieses Amerika hat sich an Europa gewendet, und viele Prominente in den USA sagen: Unterstützt auch unseren Widerstand gegen die Regierung Bush! – Da gibt es eine neue Achse, da gibt es eine neue Allianz, und da gibt es eine neue Partnerschaft, und diese euro-


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