Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 12. Sitzung / Seite 98

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von der Reform betroffen sind, kein Gespräch führen? Was soll daran schlecht sein?! Warum sollen nicht Menschen, die betroffen sind, ihren Widerstand artikulieren?!

Frau Abgeordnete Bleckmann meinte hier, es sei „infam“, wenn ein Pensionistenvertreter nach dem alten Pensionssystem eine hohe Politikerpension bekommt und trotzdem zum Streik rät. – Da muss ich Sie schon fragen: Ist es nicht wirklich infam, wenn jemand, der, wie Herr Vize­kanzler Haupt, ebenfalls 12 000 € an Politikerpension bezieht, jenen, die 600 oder 700 € Pen­sion haben, sagt: Ihr sollt nicht streiken! Ihr sollt euch nicht wehren! Ihr sollt nicht Widerstand leisten, sondern eure Abgeordneten werden schon – wenn so tatkräftig wie bei den Freiheit­lichen, na dann gute Nacht! – eure Argumente im Parlament einbringen!? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mehrfach – ja fast schon auffällig oft – wurde seitens der Regierungsparteien betont, dass man nicht daran denke, das Umlageverfahren abzuschaffen, sondern dass nur optional eine zweite oder dritte Säule entstehen soll. – Alles, was so oft und auffällig betont wird, noch dazu bei einer solch einschneidenden Reform, wie sie hier vorliegt, weckt mein Misstrauen – und nicht nur jenes, das wir hier mit unserem Misstrauensantrag dem Herrn Bundeskanzler gegenüber zum Ausdruck bringen.

Nur an einem Punkt frage ich bei Herrn Klubobmann Scheibner nach, der behauptet hat, jeder könne doch selbst entscheiden, ob und wie viel er in eine private Pensionsvorsorge einzahlen möchte. (Abg. Scheibner: Nein, bei der „Abfertigung neu“, Frau Kollegin! Sie müssen mich schon richtig zitieren!) – Ja, gern, aber erklären Sie mir doch bitte, Herr Klubobmann, wie sich beispielsweise eine Frau, die – das sind immerhin 17 Prozent – weniger als 1 000 € brutto im Monat verdient, frei entscheiden soll, ob sie pro Monat mindestens zirka 150 € in eine private Pensionsvorsorge einzahlen soll, um einmal nur ein unteres Limit zu nehmen! Da kann doch von freier Entscheidung keine Rede mehr sein! Da geht es doch ums Existenzminimum! Und damit ist diese zweite Säule auch schon reine Fiktion. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Pensionsreform ist frauenfeindlich! Daran ändern auch die Behauptungen nichts, die ja fast schon skurril sind, dass Frauen bei dieser Pensionsreform „bevorzugt“ würden. – Da ver­sucht man, aus einem Nachteil, dass nämlich zu einem wirklich überwältigenden Anteil alles, was Kindererziehung, Haushalt, Betreuungspflichten gegenüber Nicht-Minderjährigen betrifft, heute nach wie vor den Frauen aufgebürdet und von diesen übernommen wird, eine „Bevor­zugung“ zu konstruieren.

Wenn man da ein klitzekleines Bisschen an Verbesserungsmaßnahme versucht – auf diese werde ich gleich zu sprechen kommen –, wird daraus plötzlich automatisch eine „Bevorzugung“ von Frauen, die nachweislich ein Drittel weniger als Männer verdienen und bereits jetzt um die Hälfte weniger an Pension als Männer haben.

Wie Ihre „Verbesserungen“ ausschauen, meine Damen und Herren von den Regierungspar­teien, werde ich Ihnen an Hand folgenden Beispiels aufzeigen: Die großartige „Verbesserung“, die offensichtlich in Form einer Erleuchtung an diesem Wochenende passiert ist, ist die, dass gesagt wird, Frauen beziehungsweise auch Männer sollen noch in einer bestimmten Phase in Früh­pension gehen können. Das heißt, eine Frau – und das ist sogar so in den Erläuterungen ange­führt – soll mit 55 Jahren in Pension gehen können, so zum Beispiel eine Kranken­schwester.

Rechnen Sie mir doch bitte einmal vor, wie eine Krankenschwester, die eine Ausbildung zu absolvieren hat, also frühestens mit 18 oder 19 Jahren in den Beruf eintritt, bis zum 55. Lebens­jahr zu 40 Beitragsjahren für die Durchrechnung kommt!

Das ist ein Maßnahme, die man leicht irgendwo hinschreiben kann, sie ist aber für kaum eine Frau relevant, maximal für Hilfsarbeiterinnen, die eine durchgängige Erwerbszeit haben, also zwischendurch keinen Monat arbeitslos waren (Abg. Öllinger: Die ist aber schon vorher kaputt!), denen keine Zeit fehlt, die nicht einen längeren Zeitraum krank waren – also eine


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