Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 67

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gliedern. Kein Mensch will verhindern, dass Menschen Gesundheitsleistungen in An­spruch nehmen. Faktum ist: Ohne die eine Milliarde Selbstbehalte, die wir jetzt haben, müssten viele Patienten 100 Prozent Selbstbehalt zahlen, nämlich Privatleistungen, da die Krankenkassen dieses Geld brauchen, um Leistungen zu finanzieren.

Jawohl, wir wollen Grenzen, nämlich Grenzen für chronisch Kranke! 20 Prozent der Patienten brauchen 80 Prozent der Leistung. Wir wollen Grenzen für Kranke mit klei­nen Einkommen. Wer sind denn die? – Das sind meistens ältere Frauen mit kleinen Pensionen; die wollen wir nicht belasten. Das ist ganz anders als das, was Sie behaup­ten. Sie glauben, wir wollen die Leute neoliberal irgendwo verräumen oder ausgliedern aus dem System. Nehmen Sie uns beim Wort! Wir wollen keine Lenkeffekte, wie Herr Köck das immer predigt, mit 50 Prozent. Wir wollen das nicht. Aber sagen Sie uns einen Weg – Sie sagen ja, alles darf nicht sein –, wie wir das Gesundheitswesen finan­zieren sollen! Unter anderem sind Selbstbehalte ein kleiner Beitrag – ein kleiner Bei­trag! Wir als christlich-soziale Partei wollen sicher keine Strafe in der Form, dass chro­nisch Kranke ihre Versorgung nicht erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Es ist eine Redezeit von 9 Minuten vorgeschlagen. – Bitte.

 


12.37

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Was hat das ÖVP-Gesundheitspro­gramm als größten gemeinsamen Nenner mit dem Schifahren? – Das ist die Rasin­gersche „Weltklasse“. Ich habe selten so oft den Ausdruck „Weltklasse“ gehört wie in diesen Diskussionen der Bundesregierung über ihre Regierungsbereiche!

Schauen wir uns das einmal an! (Abg. Dr. Rasinger: Ist das schlecht?) – Weltklasse ist nicht schlecht, wenn man sie hat! Man darf aber nicht die Augen verschließen vor den Defiziten, die nach wie vor für Patientinnen und Patienten existieren. Diese Defizite entstehen vorwiegend deshalb, weil die Regierung – und diesen Eindruck kann man sehr schlecht verwischen – Gesundheitspolitik nahezu ausschließlich über die Kosten­frage, das heißt budgetär diskutieren will. Dass aber Gesundheitsgefährdung etwas ist, was vor Krankheiten eintritt, existiert, dass es Gesundheitsgefährdung bei bildungsfer­nen, einkommensschwachen Schichten gibt, dass es Gesundheitsgefährdung durch Wohn- und Arbeitssituationen und die Umwelt gibt, geht im Regierungsprogramm in­mitten einigen vager, teils vollmündiger Sprüche unter und zeichnet sich jedenfalls im Budget nicht ab.

Ein Beispiel – ich bringe sonst selten Beispiele –: Vor zirka zehn Jahren, als ich noch Nachtdienst machen musste auf der Notfallambulanz, kam eine zirka 50-jährige Frau mit Herzschmerzen. Es wurde ein Infarkt ausgeschlossen, aber gefunden wurde eine Ausweitung der Hauptschlagader im Brustkorbbereich. Ich habe dieser Frau zu sagen versucht, dass sie sehr rasch operiert werden müsse, dass es sehr dringlich sei, da sonst Lebensgefahr bestehe.

Die Patientin sagte, sie wolle nicht. Ich sprach mit ihr stundenlang; die Zeit ist nur so verronnen. Sie erzählte mir, dass sie Dienstmädchen bei einem Architekten war. Da hat plötzlich ein teurer Ring gefehlt, und man hat sie beschuldigt. Sie wurde verurteilt zu – ich weiß es nicht mehr – einem Jahr Haft. Der Ring ist wieder aufgetaucht. Ihr Mann hat sie verlassen. In ihrem Ort hatte sie, obwohl sie rehabilitiert wurde, immer noch das Stigma einer Inhaftierten. Sie hat gesagt, dass sie so nicht mehr leben will. Es war nicht möglich, selbst mit Hilfe von Psychiatern und anderen nicht, sie zu einer Operation zu bewegen. Sie ist verblutet, nachdem ihr Sohn sie noch besucht hat.

 


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