Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 53

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Wir als Österreicher, als österreichisches Parlament haben natürlich auch die For­derung gestellt, dass in erster Linie die österreichischen Interessen gegenüber Brüssel vertreten werden und dass auch die Risken der Erweiterung mit berücksichtigt werden.

Es gab eine Reihe von Problemen, die wir angesprochen haben – einige sind gelöst, das möchte ich hier positiv voranstellen. So konnte etwa eine taugliche Antwort auf die berechtigte Angst, dass es durch die Erweiterung zu einer weiteren Belastung des Arbeitsmarktes kommt, gefunden werden, und zwar durch die Übergangsfrist von sieben Jahren bei der Freizügigkeit.

Bei der Frage der Umweltstandards und der Problematik der grenznahen Atomkraft­werke sehe ich das schon kritischer. Wenn wir über Bohunice und Temelin diskutiert haben, haben das nicht nur Freiheitliche, sondern auch Vertreter anderer Parteien hier als Grunderfordernis für die Erweiterung, für die Aufnahme des jeweiligen Landes in den Raum gestellt. Wir haben Fortschritte erzielt – keine Frage –, aber wir sind nicht dorthin gekommen, wohin wir kommen wollen: dass wir Sicherheitsgarantien, nicht nur verbale, sondern konkrete, haben – etwa bei Temelin – und auch einen Schritt weiter in Richtung eines atomfreien Europas; da sind wir in der Mitte stecken geblieben.

900 000 Unterschriften unter das Volksbegehren gegen Temelin sind auch heute ein Auftrag an den österreichischen Nationalrat, dieses Anliegen weiter zu berücksichtigen und zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn es darum geht, sich mit den Kriterien der Europäischen Union auseinander zu setzen, etwa auch den Beschlüssen von Kopenhagen, dann sollen hier auch die Men­schen­rechte beachtet werden.

Und wenn hier auch gesagt worden ist – und ich unterstreiche das –, dass die Euro­päische Union eine Werteunion ist, dann müssen auch an die neuen Beitrittskandi­daten diese Werte angelegt werden, das heißt, dass die Menschenrechte von allen Mitgliedsländern der Europäischen Union ohne jeden Kompromiss vorbehaltlos umge­setzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wissen es, meine Damen und Herren, hier sehen wir Probleme, zumindest bei einem Beitrittskandidatenland. Wir halten es für einen Widerspruch zu diesen Kriterien der Menschenrechte, zu den Kriterien der Kopenhagener Beschlüsse, dass die Tsche­chische Republik nach wie vor mit den Beneš-Dekreten und den Amnestiegesetzen Rechtsbestände in ihrer Rechtsordnung hat, die die Grundlage und die Rechtfertigung für die Ermordung und Vertreibung von hunderttausenden unschuldigen Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen sind. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Hier geht es nicht darum, gegen ein Land zu argumentieren. Hier geht es nicht darum, ge­gen die Menschen in diesem Land zu argumentieren, sondern hier geht es nur darum, zu sagen: Ihr seid willkommen, aber ihr müsst die Kriterien, die wir an diese Men­schenrechtsstandards anlegen, auch erfüllen. Es kann doch für ein demo­krati­sches Land nicht schwierig sein, zu sagen – so, wie wir das gemacht haben für die Zeiten, für die wir auch Mitverantwortung haben und die sehr dunkle Zeiten in diesem Jahrhundert gewesen sind –: Ja, das war Unrecht, und wir heben diese Bestände, die dieses Unrecht sanktioniert haben, auf! Wir ziehen einen Schlussstrich und schaffen da­mit eine Grundlage für ein gemeinsames demokratisches Zusammenleben der Staa­ten auch in dieser Region. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte nichts zitieren aus dieser Zeit. Jeder, der diese Tatsachenberichte liest, kann nur fassungslos sein über die Greuel und über die Zustände, die damals geherrscht haben. Nur ein Beispiel aus dem Dezember 1945, also nach den ganzen


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