Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 67

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immer wieder aufgetaucht sind, und zwar dann, wenn Menschen von der sozialen, der wirtschaftlichen Entwicklung enttäuscht waren oder überhaupt völlig aus der Bahn geworfen wurden.

Daher gibt es wahrscheinlich so etwas wie die Endgültigkeit der Geschichte auch für Europa nicht, aber es muss unser Ziel sein, diesen wesentlichen Schritt, den wir jetzt zu Frieden und Sicherheit in Europa setzen, möglichst durch unsere Arbeit so zu verstetigen, dass es zu keinem Rückfall in die Philosophie des Krieges der Vergangen­heit mehr kommen kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn wir über diese Dimension sprechen und einige der Redner heute mit Recht darauf verwiesen haben, was ihre persönliche Erfahrung ist, wie sie empfunden haben, wenn Klubobmann Molterer das Jahr 1968 – ich kann mich daran auch gut erinnern –, der Herr Bundeskanzler das Jahr 1975 und Heinz Fischer einige andere Daten in die­sem Zusammenhang erwähnt hat, so müssen wir uns, glaube ich, als Vertreter der österreichischen Bevölkerung natürlich auch die Frage stellen: Woran denken Men­schen in unserem Land heute, wenn sie an die Erweiterung denken?

Da gibt es sicher viele, die unsere persönlichen Erfahrungen und Assoziationen teilen. Es gibt aber auch viele, die, wenn sie an die Erweiterung denken, daran denken, dass sie in Zukunft an Straßen leben werden, auf denen es noch mehr LKW-Verkehr geben wird. Es gibt auch viele Menschen, die daran denken, dass ihr Arbeitsplatz unter Um­stän­den unsicherer wird, weil die Konkurrenz eine stärkere wird und der gesamte Leistungsdruck am Arbeitsmarkt auch ein stärkerer sein wird. Und es gibt auch viele Menschen, die sich fragen: Werden wir das alles so bewältigen können, wie wir uns das vorgenommen haben?

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns diese Bedenken von vielen Teilen der öster­reichischen Bevölkerung bewusst machen, denn nur dann, wenn wir auf diese Un­sicherheiten eingehen, haben wir eine Chance, die demokratische Zustimmung zu ge­winnen. Und Sie sollten das nicht so von sich schieben, denn ich erinnere mich noch an die Diskussion, die wir über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hatten. (Abg. Neudeck: „1 000 S“ von Ederer!) Gerade die Bauern waren außerordentlich skeptisch – außerordentlich skeptisch! Die Antwort der österreichischen Politik auf die Ängste der Bauern war, einen Europa-Vertrag zu machen, um damit den Bauern Sicherheit zu signalisieren, dass sie auch bei einem Beitritt Österreichs nicht unter die Räder kommen werden.

Ich meine, dass wir dieselbe Verpflichtung natürlich auch für jene Menschen in un­serem Land haben, die heute fürchten, dass sie in Zukunft unter Umständen eine schwä­chere Existenzgrundlage haben werden, denn nur dann, wenn die Politik imstande ist, Chancen mit Sicherheiten für den Einzelnen zu verbinden, gibt es auch die Chance, dass so ein großes politisches Werk auch von der Gesamtheit der Be­völkerung getragen wird.

In diesem Zusammenhang muss uns klar sein, dass viele der Hausaufgaben, die auch im Entschließungsantrag der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ zur Erweiterung fest­ge­schrieben waren, bis zum heutigen Tag noch nicht erledigt sind.

Wenn wir wollen, dass die EU-Erweiterung und damit die Vereinigung Europas zu einem Erfolg für alle wird und sich die Menschen nicht in Sieger und Verlierer dieses Prozesses aufgeteilt fühlen, dann müssen wir diese Hausaufgaben mit noch größeren Anstrengungen in den nächsten Monaten angehen, denn ein freies, demokratisches und, wie ich hoffe, soziales Europa kann nicht nur das Werk von politisch Verant­wort­li­chen sein, sondern muss die Zustimmung der Bevölkerung verdienen.

 


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