Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 81

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Dies war auch die Grundlage für den Reformprozess, der seither in den Beitrittsländern vonstatten gegangen ist. Heute, am Tage der Ratifizierung der Beitrittsverträge im österreichischen Parlament erfüllt ein Beitrittsland diese Kopenhagener Kriterien nicht in allen Punkten, vor allem in einem ganz entscheidenden Punkt nicht: im Punkt der Wahrung und Achtung der Menschenrechte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen! Ich verstehe nicht, dass Sie uns dafür kritisieren, dass wir die Beneš-Dekrete als menschenrechtswidrig kritisieren, und nicht anstelle dessen, da Sie sich immer als die Verfechter der Menschenrechte groß machen, selbst die Beneš-Dekrete als menschenrechtswidrig kritisiert haben. Die Beneš-Dekrete sind und waren auch zum Zeitpunkt ihres Erlasses völkerrechtswidrig, menschenrechtswidrig und stehen damit auch im Widerspruch zu den Kopenhagener Kriterien. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sind in Kraft! Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. „Sie sind gültig, und sie werden gültig sein“, hat Premier Spidla am 7. Mai gegenüber der „Frankfurter All­gemeinen Zeitung“ auf Anfrage über einen Vortrag, den er am Vortag in Frankfurt gehalten hatte, gesagt. Sie sind in Kraft! Sie sind nicht totes Recht, sie sind lebendiges Unrecht!

Sie sind die legislative Grundlage für die Vertreibung von 3 Millionen Menschen. 242 000 haben damals das rettende Österreich, das rettende Bayern nicht erreicht, und es waren dies vor allem Frauen, alte Menschen und Kinder. Es ist ein Zynismus son­dergleichen, dies – eine ethnische Säuberung ungeheuren Ausmaßes mit Grau­samkeiten von unsagbarer Qualität – mit der österreichischen Flüchtlingspolitik des Jah­res 2003 zu vergleichen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mainoni: So ist es!)

Wenn die Beneš-Dekrete Bestandteil der nationalen Gesetzgebung eines EU-Landes bleiben, setzt die EU damit ihre eigenen Spielregeln außer Kraft. Das ist eine Ent­wick­lung, die wir in Ansätzen auch auf anderen Gebieten sehen, und die ist sehr ver­derblich. Gleiches Recht für alle – nur so kann Gerechtigkeit hergestellt werden!

Zwischenzeitlich hat es ja in diesem Prozess sehr gut ausgesehen. Es hat selbst­verständlich in Europa und sicher auch in Tschechien eine Reihe von Personen ge­geben – und es gibt sie auch heute –, die wissen, dass hier eine Lösung gefunden wer­den muss. Ich beziehe mich auf eine Entschließung des Europäischen Parlamentes von 1999, worin ganz klar festgestellt worden ist, dass die Beneš-Dekrete so nicht auf­rechterhalten werden können.

Die Stimmung war damals günstig, auch Sie von der SPÖ haben sich dieser Stimmung gefügt und sind ihr erlegen. Es gab damals einen Entschließungsantrag in diesem Haus, Erstantragsteller war der damalige Klubobmann Kostelka, der die Bundes­regie­rung aufgefordert hat, weiterhin im Verbund mit den anderen Mitgliedstaaten und den Institutionen der Europäischen Union auf die Aufhebung von fortbestehenden Ge­set­zen und Dekreten aus den Jahren 1945 bis 1946, die sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen, hinzuwirken.

Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten diese Linie ein! Es ist sehr wich­tig, dass in diesem Parlament der Beschluss nicht einstimmig fällt. Es muss klargestellt werden, dass diese Frage offen ist, damit diese Zustimmung nicht als Streitbeilegungs­erklärung missbraucht werden kann.

In diesem Zusammenhang, dass nämlich in dieser Frage weiter verfahren werden muss, bringe ich folgenden Antrag ein:

 


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