Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 247

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zentren steht. Dazu kommt der Wunsch vieler Menschen nach Wohnen im Grünen. Wir sehen das anhand der Entwicklung unserer Landeshauptstadt St. Pölten: ein Minus an Bevölkerung, kaum Wirtschaftswachstum. Dagegen das Umland: Betriebsgebiete wie Böheimkirchen und Loosdorf boomen, in Hürm entsteht ein sehr kreatives, inter­essantes, gemeindeübergreifendes Betriebsgebiet. Folge für die Bevölkerungsentwick­lung im Umland von St. Pölten: ein Plus von 7 Prozent. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Trotzdem oder gerade deswegen bringt diese neue Situation vor allem für die Frauen ein neues Spannungsfeld mit sich. Was sind die Probleme, mit denen die Frauen im ländlichen Raum zu kämpfen haben?

Mobilität: Gerade auf dem Land ist die Struktur des öffentlichen Verkehrs nicht sehr ausgeprägt. Im Forschungsbericht „Hemmnisse der Frauenerwerbstätigkeit“ ist das von den befragten Frauen aus den Regionen als enormer Faktor bewertet worden. Dazu kommt, dass die oftmals beworbene Teilzeit als Chance zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Pendlerinnen keine Alternative darstellt. Wenn Sie täglich vier Stunden arbeiten und drei Stunden pendeln: Können Sie sich vorstellen, wie „attraktiv“ das ist? – Jede fünfte Frau ist teilzeitbeschäftigt. Daher ist meiner Überzeugung nach der wichtigste Ansatzpunkt der Arbeitsplatz vor Ort, denn Nähe ist Lebensqualität! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oftmals – und das belegen Studien – sind es gerade die Mädchen, die in der Um­gebung ihre Ausbildung wahrnehmen. Ein erweitertes Bildungsangebot ist aber vor allem in den Ballungszentren vorhanden, und so sehen wir, dass in den ländlichen Re­gionen über 80 Prozent der Mädchen in traditionelle Frauenberufe einsteigen. Das Ver­hältnis ist auf dem Land schlechter als in der Stadt. Die Stärkung des Selbst­bewusstseins muss ein zentrales Anliegen sein. Damit muss schon in der Volksschule begonnen werden, und es muss so weit gehen, dass Mädchen auch für Frauen „untypische“ Berufe ausüben.

Wir brauchen verstärkte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen vor Ort. Die Ent­wicklung zeigt uns: Je größer die Entfernung von den Ballungszentren ist, desto niedriger ist das Durchschnittseinkommen der Frau. Mit höherer Bildung wird diese Situation verbessert.

Gerade im ländlichen Raum ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwieriger. Kinderbetreuungseinrichtungen gehören ausgebaut und verstärkt, die Öffnungszeiten flexibler gestaltet (demonstrativer Beifall bei den Grünen), insbesondere wenn man bedenkt, dass in der Landwirtschaft zirka 41 Prozent der Betriebe und im Gewerbe zirka 30 Prozent der Betriebe von Frauen geführt werden.

Aber die neue Struktur des ländlichen Raums, wie ich sie soeben erwähnt habe, bietet auch enorme Chancen. Durch die Stärkung der Regionen, durch das Schaffen von Be­triebsgebieten auf dem Land entstehen neue Arbeitsplätze für Frauen, ein neuer Markt für Betriebe vor Ort und damit mehr Lebensqualität für uns alle.

Ein Motto, das in unseren Köpfen Platz greifen muss, lautet: Arbeiten auf dem Land be­deutet Leben auf dem Land. Wo Arbeitsplätze in der Nähe sind, steigt die Lebens­qualität und sinkt die Belastung für die Umwelt durch den Verkehr. Wenn wir das Bewusstsein für die örtliche Wirtschaft stärken, kaufen die Menschen wieder im Ort ein, stärken damit den Ort und sichern die Arbeitsplätze. Diese Menschen bringen sich in die Gemeinschaft und in die Vereine ein; die Gemeinde lebt.

Der ländliche Raum wird uns noch lange beschäftigen. Ich sehe den heutigen Antrag als sichtbares Zeichen der Bereitschaft aller Parteien, an einem neuen Bild des Land-


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