Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 45. Sitzung / Seite 49

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Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Herr Präsident! Ich bin des­wegen über solch falsche Tatsachen so empört, weil der Vergleich sicher macht: Wenn all diese großartigen Investitionen stattfinden, wenn diese segensreiche Auswirkung auf den Arbeitsmarkt vorhanden ist, wie gibt es denn dann, dass wir im heurigen Jahr in Österreich den Höchststand an Arbeitslosen mit 330 000 Personen haben!? (Rufe bei der ÖVP: In Wien!) – Das ist der Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Andauernd über das Schicksal der Menschen hinwegzureden, andauernd die Fakten zu leugnen, mit falschen Zahlen die Realität zu verheimlichen, das ist keine ehrliche Auseinandersetzung und keine ehrliche Politik!

Weil Sie sich angesichts der Erfolge der vergangenen Jahre so preisen, muss ich Ihnen schon sagen: Die Wahrheit ist die, dass Österreich, was die Wirtschaftsleistung pro Kopf betrifft, in der Europäischen Union von Platz vier auf Platz acht zurückgefallen ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Machen Sie Österreich nicht schlecht!) Da gibt es keinen Grund für Selbstlob, sondern das wäre Anlass genug, endlich eine Trendumkehr in der Politik einzuleiten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Wahrheit ist die, dass die Pensionserhöhungen zu Jahresbeginn dazu geführt haben, dass heute die Pensionisten weniger in der Tasche haben als im vergangenen Jahr, weil die 10 € von Ihnen nicht einmal ausgereicht haben, die erhöhten Kranken­versicherungsbeiträge abzudecken – ganz zu schweigen von einer Abgeltung der Infla­tionsrate. Doch Sie preisen das als eine großartige sozialpolitische Leistung!

Sie stellen sich heute her und sagen: Die Pensionskürzungen, die wir im vergangenen Jahr beschlossen haben, waren eine großartige sozialpolitische Leistung! Ich sage Ihnen: Sie stellen Millionen Österreicherinnen und Österreicher vor viele materielle und für viele Menschen unlösbare Probleme! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Steuerreform in dieser Zeit hätte den Faktor Arbeit entlasten müssen. (Abg. Murauer: Jetzt kommt das Programm!) Das wäre eine Steuerreform gewesen, die wirklich dazu geführt hätte, dass Beschäftigung gestärkt wird. (Abg. Dr. Rasinger: Leere Worte!) Aber bei dieser Ihrer Steuerreform wird der Faktor Arbeit mit keinem einzigen Euro entlastet, meine Damen und Herren, und 80 Prozent aller österreichi­schen Unternehmungen werden von dieser Steuerreform nichts haben!

Die Gewinner dieser Steuerreform wie der Herr Bartenstein oder wie der Herr Prinz­horn werden viel bei dieser Steuerreform gewinnen, aber den von Ihnen zitierten Instal­lateuren, Schneidern, Schustern und Handwerkern wird wenig bleiben. Daher ist diese Steuerreform ein Schritt in die falsche Richtung, sie ist zu teuer und bringt vielen viel zu wenig! (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Auch was die Familienförderung betrifft, rühmen Sie sich, weil jetzt der Alleinverdienerabsetzbetrag erhöht wird. Ich frage Sie: Gibt Ihnen der Umstand, dass trotz eines der großzügigsten Familienförderungssysteme der Welt die Geburtenrate in Österreich leider nicht nach oben geht, nicht einmal Anlass zur Über­legung? (Abg. Dr. Trinkl: Wie viel Kinder haben Sie?) Gibt Ihnen nicht zu denken, dass es trotz zusätzlicher finanzieller Anreize so ist? Weil es an einem ganz zentral fehlt: an genügend Kinderbetreuungseinrichtungen, damit Beruf und Familie miteinander zu ver­einbaren sind?

Sie hätten bei dieser Steuerreform, statt 250 Millionen € für den Alleinverdienerabsetz­betrag zu verwenden, 60 000 Kinderbetreuungsplätze in Österreich schaffen und nach­haltig finanzieren können. Das wäre ein bedeutend besserer Weg gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

 


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