Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 59. Sitzung / Seite 90

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Oder: dass sich Kollege Molterer wieder mokiert hat über unseren Tarif beziehungs­weise über die Berechnung dieses Tarifes. Jeder von uns, der schulpflichtige Kinder hat, weiß, dass das eine Formel mit einer Unbekannten ist. In welcher Schulstufe der­artige Formeln gelöst werden, wissen all jene von uns, die Kinder haben. (Abg. Dr. Ja­rolim: Hat er den Durchblick, der Herr Molterer?) – Das ist offensichtlich die Frage bei dieser Meldung! (Abg. Dr. Brinek: Sie sind angetreten unter „Vereinfachung“! Wie schaut das aus, was kompliziert ist, wenn das einfach ist?)

Was bei dem Ganzen ein bisschen nachdenklich stimmt, ist eine Aussage des Prä­sidenten Prinzhorn, der in Richtung der SPÖ, in Richtung Bruno Kreisky und in Rich­tung Wirtschaftspolitik von „Ewiggestrigen“ gesprochen hat. Nun sollte man, glaube ich, mit dem Begriff „Ewiggestrige“ politisch sehr vorsichtig umgehen. Ich möch­te daher jetzt nicht parteipolitisch-polemisch replizieren, sondern wirtschafts­politisch-historisch.

Wenn Sie wirtschaftshistorisch bezüglich „ewiggestrig“ etwas weiter zurückgehen, möchte ich Sie in diesem Zusammenhang auf ein Buch verweisen, das an der Wirt­schaftsuniversität Wien – nicht wirklich eine linksmarxistische Einrichtung – im Jahr 2002 herausgekommen ist, und zwar unter dem Titel: „Im Vorfeld der Katas­trophe: Die Wirtschaftspolitik des Ständestaates. Österreich 1934 bis 1938“. Sie finden dort auch in der Diktion frappante Ähnlichkeiten zwischen wirtschaftspolitischen Grund­satzaus­sagen und Thematiken damals und seit 2000. (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, da kennt sich aber der Herr Molterer wieder besser aus!) Ich glaube, da sollte man mit dem Begriff „ewiggestrig“ wirklich sehr, sehr vorsichtig umgehen.

Es ist legitim, denke ich, dass verschiedene Auffassungen bezüglich der Auswirkungen der Steuerreform, darüber, wie sie sich in Zukunft entwickeln wird, bestehen. Es ist klar, dass Opposition und Regierung diesbezüglich unterschiedlicher Meinung sind – auch sein sollen. Die Zukunft wird weisen, wer Recht hat – wobei ich, wenn ich mir den Wifo-Bericht ansehe, laut dem der Multiplikator-Effekt 0,25 betragen soll, sagen muss: Na, da hat es schon bessere Maßnahmen gegeben!

Was man allerdings unmittelbar berechnen kann – da braucht man nicht auf die Zukunft zu warten –, sind die Inzidenzwirkungen dieser Steuerreform, also die Auswir­kungen der Abgabenänderungen auf die Verteilung. Da haben wir schon einiges gehört zur personellen Inzidenz – bedenklich insbesondere durch die Nichtanhebung der Negativsteuer, und unter Einrechnung der kalten Progression hat sich hier dann kaum eine Verschiebung der Verteilungskurve ergeben.

Aber ich denke, wir sollten uns insbesondere auch die funktionelle Einkommens­ver­teilung ansehen, das heißt also die Verteilung der Auswirkungen auf die Produktions­faktoren. Wenn man vom finanzwissenschaftlichen Ansatz ausgeht, so ist es ganz klar, dass der Begriff einer Reform – das heißt in diesem Zusammenhang: einer Steuer­reform – eine Veränderung der Steuerstruktur erfordert, damit man sie überhaupt „Reform“ nennen kann. Und, bitte, eine Veränderung der Steuerstruktur hat mit dieser Steuerreform mitnichten stattgefunden, denn in absoluten Zahlen ist die Entlastung der Gewinne ebenso hoch wie die Entlastung der Lohneinkommen, nur: Insofern als die Lohneinkommen bis jetzt ja einen wesentlich größeren Anteil zur Steuer beitragen als die Gewinne, verschiebt sich dieses Ungleichgewicht zu Lasten des Faktors Arbeit natürlich weiter. Da passt gut ins Bild, dass sämtliche Investitionsbegünstigungen in diesem Jahr auslaufen.

Das heißt, was hier passiert, ist eine generelle Entlastung der Gewinne, aber nicht eine Entlastung der Gewinnverwendung. Und damit werden Sie ökonomisch die Effekte, die Sie haben wollen, nicht erzielen können. Wenn Sie nämlich die Gewinnverwendung, insbesondere die Gewinnverwendung im Inland, nicht begünstigen, so kann es durch­aus passieren – und das entspricht nicht nur der gängigen ökonomischen Theorie,


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