Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 21

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wie und wo es etwa militärische Interventionen der Staatengemeinschaft geben soll. Ich frage mich aber: Warum haben Sie in Ihrer Zeit als Regierungspartei nicht genau das in der österreichischen Bundesverfassung verankert? Sie haben das nicht ge­macht, denn laut österreichischer Bundesverfassung wäre es theoretisch möglich, dass sich Österreich an Kampfhandlungen auch ohne Sanktionierung der Vereinten Natio­nen beteiligt. Darüber sollten Sie auch einmal sprechen, warum man damals, als man die Möglichkeit gehabt hat, das zu verankern, das nicht gemacht hat, aber heute hier diese Forderung aufstellt.

Wir sind dafür! Auch wir glauben – und deshalb war auch unsere Kritik beim Irak-Krieg sehr heftig –, dass es nicht sein darf und nicht sein kann, dass ein Land der Welt, auch wenn es noch so stark ist, darüber entscheidet, wo, wann und wie militärische Interven­tionen stattzufinden haben. Das muss auf internationaler Ebene entschieden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Außenministerin! Wir werden diese starke Vertretung brauchen, vor allem inner­halb der Europäischen Union, und wir hoffen, dass Sie in erster Linie die Interessen Österreichs in der Europäischen Union und gegenüber der Europäischen Union vertre­ten werden und nicht in erster Linie darüber nachdenken werden, wie man denn die Ideen aus Brüssel, die Projekte der Brüsseler Bürokratie hier in Österreich so rasch wie möglich, quasi in Musterschülermanier, umsetzen und vielleicht sogar vorwegnehmen könnte.

Ich denke, das ist notwendig. Vor allem im Interesse der Bürgernähe der Europäischen Union muss man signalisieren, dass diese Europäische Union für die Bürger, für die Menschen in Europa da zu sein hat und nicht – umgekehrt – dass wir für Brüssel, für die Bürokratien da zu sein haben. Das müssen auch Sie, Frau Außenministerin, vertre­ten und auch darstellen!

Es wird sinnvoll und notwendig sein – ein positiver Aspekt der letzten Erweiterung! –, dass man mit den neuen Mitgliedsländern, die von ihrer Größe, von ihrer Bevölke­rungszahl her alle kleinere und mittlere Länder der Europäischen Union sind, Koali­tionen bildet, Sachkoalitionen, um in Brüssel auch stark auftreten zu können, denn es kann nicht sein, dass es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Europäischen Union gibt: hier die wenigen Großen, Einflussreichen und dort die vielen Kleineren, die nur das nachvollziehen müssen, was die Großen schon vorweg entschieden haben. – Das erwarten wir von einer aktiven Europapolitik der österreichischen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich weiß, Frau Außenministerin, dass Sie Ihre persönliche Meinung nicht durch Spea­king notes von irgendwelchen Beamten ersetzen lassen, sondern dass Sie in den EU-Gremien dynamisch das sagen werden, was Sie auch wirklich denken.

Die Erweiterung ist angesprochen worden. Wir haben jetzt die größte Erweiterungs­runde in der Geschichte der Europäischen Union formal umgesetzt, und jetzt wird schon wieder über die nächste und übernächste Erweiterung heftig diskutiert, anstatt wirklich zu überlegen: Wo sind noch Defizite der letzten Erweiterungsrunde? Es hat ja Fortschrittsberichte gegeben, die diese Defizite alle aufgelistet haben. Das jetzt Umge­setzte soll einmal ein Erfolg werden – es soll nicht überlegt werden: Was wird in zehn, 15 oder 20 Jahren der Fall sein?

Ein Wort zur Türkei. Ich bin nicht der Meinung, dass man deshalb, weil die Euro­päische Union in ihrer Türkeipolitik in den letzten 20, 30 Jahren Fehler gemacht hat, unehrlich gewesen ist, diese Fehler und diese Unehrlichkeit unbedingt auch weiterhin zementieren muss. Es war nicht die Europäische Union des 21. Jahrhunderts, die diese Gespräche geführt hat, Herr Kollege Van der Bellen. Das war eine Wirtschafts­gemeinschaft, die vor 30 Jahren diese Gespräche begonnen hat. Das sind ganz, ganz


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