Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 108

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Wie schaut denn die Realität aus? – In der Bundesregierung werden wechselseitig Watschen ausgeteilt, wie ich das noch nie erlebt habe in meiner, zugegeben kurzen zehnjährigen Erfahrung als Parlamentarier! Herr Präsident Khol kann sich vielleicht an etwas Ähnliches erinnern, ich nicht! (Abg. Dr. Khol wiegt nachdenklich den Kopf von einer Seite zur anderen. – Rufe bei der SPÖ: Er auch nicht!)

Da geht ein Innenminister her und teilt zur Überraschung seiner eigenen Partei­kollegen, seines eigenen Klubs, seiner Ko-Mitglieder in der Bundesregierung aus heite­rem Himmel mit: Übrigens, ich trete zurück! (Abg. Großruck: Woher wissen Sie das?) War irgendjemand von Ihnen darüber informiert? – Nein! Das hat man ja gemerkt und merkt man jetzt noch an den Gesichtern auf der Regierungsbank.

Dann sagt Herr Minister Strasser – er ist ja immer noch Minister – heute am Vormittag: Und im Übrigen werde ich bis Jänner im Amt bleiben, um die Geschäfte ordnungs­gemäß übergeben zu können. – Diese Meldung ist über die APA gegangen.

Was ist dann passiert? – Der Bundeskanzler sagt aus welchen Gründen auch immer, ich vermute, aus einem spontanen Wutanfall heraus (ironische Heiterkeit bei der ÖVP): Nichts da! Du bleibst mir nicht bis Jänner! Du gehst jetzt sofort! (Abg. Mag. Molterer: Wie es sich der kleine Alexander vorstellt!)

Sie, Herr Kollege Molterer, Sie sagen im Ernst ... (Heiterkeit des Abg. Mag. Mol­terer.) – Sie müssen ja selber lachen, Sie wissen nur noch nicht, worüber. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sie haben gesagt, hier finde ein ordentlicher Übergang statt, so wie er immer in der Bundesregierung stattfindet. (Abg. Mag. Mol­terer: So ist es!) – So wie er immer in der Bundesregierung stattfindet! – Diese Bundesregierung verkörpere auch Stabilität, Sicherheit; wir halten Kurs. (Demonstra­tiver Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: Genau!)

Tausendfach müssen wir uns das von Ihnen anhören! Aber wenn ein Innenminister in der Früh zurücktritt, dann hat der Bundeskanzler einen Wutanfall (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nein!) und verhindert die ordnungsgemäße Übergabe der Geschäfte! Im Gegenteil: Wen betraut er, nur kurz, wie ich hoffe – ich komme darauf noch zurück –, mit der Fortführung der Geschäfte? – Jenen Minister, der in seinem Ressort, dem Bundesministerium für Landesverteidigung, gerade mit der größten Krise seit Jahrzehnten konfrontiert ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Schon wieder „Krise“!)

Gestern hat das Parlament mit der Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei und so weiter die tatsächlich über Jahrzehnte hinweg größte Reform des Innenressorts beschlossen. (Abg. Mag. Molterer: Leider nicht mit Ihren Stimmen!) Wer soll das jetzt durchführen? Der Verteidigungsminister, der selber andere Sorgen hat? (Abg. Dr. Brinek: Er kennt sich aus!) Ja!? Der hat wirklich andere Sorgen!

Das schafft der Herr Bundeskanzler! So schafft man aus einem simplen Minister­rücktritt – so etwas soll vorkommen; Minister Strasser hat vielleicht gute private Grün­de, das zu machen, vielleicht auch gute politische Gründe –, so schafft man aus einem Ministerrücktritt eine Regierungskrise! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ironi­sche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das ist die Folge des Führungsstils unseres Herrn Bundeskanzlers, der jetzt nicht nur einen Problemfall Frau Gehrer hat – die zwar eine ÖH-Knebelung zulässt, die zu verhindern, ihr keine Energie wert ist, aber über PISA kann man ja ruhig einschlafen –, einen Minister Grasser als Finanzminister – der sich seit Jahren erfolgreich den Ruf verschafft hat, dass alle Steuern zahlen sollen, nur ich, der Finanzminister nicht! –, und, wenn ich nicht irre, ist ja Herr Minister Haupt auch noch da. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Darüber verliere ich jetzt aber kein Wort.

 


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