Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 42

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unmenschlich war, sondern Ernst Strasser ist auch gescheitert, weil sein Kurs unver­nünftig war, weil er die Widerstände unterschätzt hat, weil er geglaubt hat, er könne sich durch die Verfassung und durch die öffentliche Kritik einen Weg durchschlagen. Das hat nicht funktioniert! Die österreichische Bundesverfassung war stärker als Ernst Strasser, und es wäre wichtig für eine neu ins Amt tretende Innenministerin, das öffentlich zur Kenntnis zu nehmen und dem Nationalrat eine einzige wichtige Botschaft zu geben: Ja, ich habe verstanden, warum Ernst Strasser zurückgetreten ist, und ich versuche, mit den Beamtinnen und Beamten und dem gesamten hier diskutierenden Haus einen politischen Neubeginn in der öffentlichen Sicherheit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt noch eine kurze letzte Bemerkung zur Frage eines EU-Beitritts der Türkei. Herr Bundeskanzler, zwei Fragen: Erstens: Glauben Sie wirklich, dass in einer Zeit, in der Sie als etwa 75-jähriger Alt-Kanzler längst die Pension genießen und sich hoffentlich bester Gesundheit erfreuen werden, eine Bundesregierung und ein Nationalrat mit völlig anderer Zusammensetzung dann dem „Schüssel/Scheibner-Pakt“ folgen wer­den?

Würden Sie heute, gäbe es so etwas, sich hier herstellen und sagen: Ja, vor 15 oder 20 Jahren hat es den „Steger/Sinowatz-Pakt“ gegeben, und ich bin jetzt gezwungen, ihn auf Punkt und Beistrich umzusetzen!?

Herr Bundeskanzler, das ist etwas unseriös, und ich ersuche Sie, auch den Beitritt der Türkei und den Beitrag Österreichs dazu mit der notwendigen Seriosität zu behandeln! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.31

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin zwar nicht die Pflichtverteidigerin des abgetretenen Innen­ministers Strasser, aber mein Gerechtigkeitssinn, den ich mir noch immer erhalten habe, trotz mehr als 20-jähriger Tätigkeit hier im Haus, sträubt sich wirklich dagegen, dass Sie von der Opposition so tun, als ob der Innenminister mit Absicht ein Gesetz in seinem Ministerium formuliert hätte, das verfassungswidrig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Natürlich hat er das!)

Ich meine, das wissen Sie doch ganz genau, dass der Verfassungsdienst befragt worden ist, dass Verfassungsexperten aus dem Ministerium die Materie geprüft haben. Aber es ist ganz einfach heute viel, viel schwieriger als noch vor einigen Jahren, ganz definitiv zu sagen ... (Abg. Schieder: Dolus war es!) – „Dolus“ ist die Absicht, das bestreite ich ja. Es ist heute viel, viel schwieriger, mit Sicherheit zu sagen, dass etwas beim Verfassungsgerichtshof halten wird. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe es einmal hier schon zitiert und möchte es noch einmal tun, weil ich jetzt das Zitat vollständig habe. Der bekannte Verfassungsrechtler Dr. Matscher hat gesagt: „Bei Gott, bei den Gerichten und bei der Seefahrt ist nichts ausgeschlossen.“ – Und das stimmt wirklich. Wir erleben immer wieder Überraschungen bei den Höchstgerichten. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Bestellung der neuen Innen­ministerin betrifft. Genau elf Tage hat es gedauert, bis dieser von Ihnen prognostizierte gefährliche Zustand: Machtkonzentration in der Hand eines Ministers beendet war. Der Herr Bundeskanzler hat innerhalb von elf Tagen eine neue Innenministerin eingesetzt –


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