Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 44

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Die Gesellschaft – mein Vorredner hat das schon angesprochen – befindet sich im Wandel. Viele Alleinerzieherinnen müssen den Alltag, die schulische Aufgabe mit den Kindern bewältigen und oft bis spät am Abend Aufgaben machen. Viele Alleinerzieher müssen das ebenso tun. Es gibt mittlerweile viele allein erziehende Väter, die mindes­tens genauso belastet sind. Auch Familien sind belastet, in denen beide Elternteile berufstätig sind, die dann am Abend nach Hause kommen und den Kindern noch bei den Schulaufgaben helfen müssen. Mittlerweile sind aber auch Lehrerinnen und Lehrer oder Kindergärtnerinnen mit Aufgaben belastet, die vorher nicht vorhanden waren. Dies betrifft neue Aufgabenstellungen im Umgang mit Kindern, wie beispielsweise das Schaffen einer gewissen Nestwärme beziehungsweise das Übernehmen von mehr Verantwortung, als ihnen ihr Beruf eigentlich vorgibt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Kinder so abgelenkt sind wie nie zuvor. Wenn man mit Lehrern spricht, dann erfährt man, dass die Lehrer darunter leiden. Die Kinder haben auf der einen Seite ein Ablenkungspotential wie noch nie zuvor in der Gesellschaft, sie beherrschen auf der anderen Seite aber auch Dinge, die für uns im Vorschulalter, im Volksschulalter und auch später teilweise unvorstellbar waren. Sie verlernen dafür aber Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen und – ich sage das ganz bewusst –: Kopfrechnen. Ich kenne kaum mehr Kinder in der Volksschule, die wirklich gut kopfrechnen können. Das sind Voraussetzungen, die man für das Leben braucht!

Aber auch Phantasie und Kreativität sind bisher teilweise zu kurz gekommen. Es gilt, in Zukunft neue Ansätze zu finden und die Lehrer in der Lehrerausbildung wieder darauf hinzuschulen, dass es sehr wichtig ist, die Kulturtechniken zu lehren und zu vertiefen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir alle hier haben die bildungspolitische Gesamtverantwortung. Ich sage ganz be­wusst: Wir alle haben die Gesamtverantwortung, unseren Kindern eine möglichst indi­viduelle Bildung zukommen zu lassen und sie auf die kommenden Aufgaben für das Leben vorzubereiten. Wir sollten sie auf einen dynamischen, modernen Arbeitsmarkt vorbereiten, der ihnen in Zukunft über das Schulische hinaus auch an sozialer und emotionaler Intelligenz, die immer mehr gefragt ist, sehr viel abverlangen wird. Dafür ist durchaus von Seiten der Unterrichtsmethodik und der Didaktik ein ganz neuer Ansatz zu wählen, den die künftigen Lehrer dann in einer neuen pädagogischen Hochschule lernen werden.

Aus unserer Sicht gilt es, die Schwachen auf der einen Seite zu fördern und die Star­ken und Begabten zu fordern. Erst dann – das sage ich ganz bewusst –, wenn uns das gelingt, kann man von wirklicher Chancengleichheit sprechen! (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben jetzt durch den Fall der Zweidrittelmehrheit die Möglichkeit, zu handeln und die Ratschläge der Zukunftskommission, die auf dem Tisch liegen, wirklich umzu­setzen. Wir sind auch bereit, rasch zu handeln und Dinge umzusetzen. Das beginnt bereits mit dem Vorschlag, den die Zukunftskommission an oberste Stelle gestellt hat. Auf meine Frage: Was würden Sie als Erstes von Ihrem Reformpapier verwirklichen?, war die Antwort ganz klar: die sprachliche Frühförderung schon vor dem Eintritt in die Volksschule. Wenn man in die Volksschule kommt, muss man die Unterrichtssprache Deutsch beherrschen! Man ist gar nicht in der Lage, lesen, schreiben und rechnen zu erlernen, wenn man dem Unterricht sprachlich nicht folgen kann.

Deshalb ist es uns ganz wichtig, dass die Schuleinschreibung ein Jahr vor Schuleintritt erfolgt. Dabei kann die sprachliche Kompetenz abgetestet und festgestellt werden, wie die Kinder dem Unterricht sprachlich folgen könnten und wie sie die Sprache aufneh­men. Wenn die sprachliche Kompetenz nicht zufrieden stellend ist, kann eine entspre-


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