Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 54

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fen worden ist, berufen, 100 Jahre später das Schulgesetzwerk 1962, das in seinem Bestand wesentlich revidiert wird.

Die Frage ist: Warum hat es eigentlich so lange gedauert? – Das hat einen sehr realis­tischen Hintergrund. Die junge Republik hat sich bei der Verfassung 1920 nicht einigen können, ob die zentralistischen oder die föderalistischen Kräfte bei der Verantwortung für das Schulwesen die Oberhand haben sollen. Es hat eben eines Unterrichtsminis­ters Dr. Heinrich Drimmel im Jahre 1960 bedurft, der letztendlich den Anstoß für das Schulgesetzwerk 1962 gegeben hat – ein historischer Kompromiss, dessen Bedeutung ich nochmals in Erinnerung rufen darf.

Es ist nämlich die Bedeutung des Schulgesetzwerkes 1962 darin zu suchen, dass es ein einheitliches gesamtösterreichisches Schulwesen gegeben hat, das durchaus da­durch gefährdet gewesen wäre, dass man in jedem Bundesland anders agierte, noch dazu perforiert durch die unseligen Jahre zwischen 1938 und 1945, als die deutsche Schulgesetzgebung hier eingeflossen ist. Das ist die wahre Bedeutung des einheit­lichen Schulgesetzwerkes.

Ich erinnere mich, dass dieses Denken einer breiten Übereinstimmung noch bis vor wenigen Jahren Platz gegriffen hat. Ich habe selbst 1974 mit dem von mir sehr geschätzten Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz das Schulunterrichtsgesetz verhan­delt. Da ging es nicht um Feilschen um Kleinigkeiten, sondern es war eigentlich Impe­tus, dass viele dieser Dinge selbstverständlich einer breiten verfassungsrechtlichen Mehrheit unterliegen, obwohl das gar nicht dem Thema angemessen gewesen wäre.

Oder ich denke etwa an die Debatten mit Unterrichtsminister Dr. Moritz, die wir 1986 geführt haben, als wir die Schulpartnerschaft – also das institutionalisierte Zusammen­wirken zwischen Eltern, Lehrern und Schülern – gemeinsam verabschiedet haben – alles unter Zweidrittelmehrheit, obwohl das Gebot der Stunde eigentlich nicht danach gewesen wäre.

Die Zeit ist also reif für eine Entscheidung, und ich bedanke mich, dass es nach einer kurzen, intensiven Diskussionsphase nun einerseits zu einer Reformbereitschaft kommt, wo aber andererseits auch Verlässlichkeit und Planbarkeit in den bereits erwähnten Fragen gegeben sind.

Nun kann man sagen, es hätte an sich niemand das Primat der Öffentlichkeit einer Schule in Frage gestellt. Man kann es, wenn es der Wille ist, hineinschreiben. Es ist auch die Schulgeldfreiheit ein wichtiger Aspekt, genauso wie die Schulpflicht, selbst­verständlich das friktionsfreie Miteinander mit Kirchen und Religionsgemeinschaften und das differenzierte Schulwesen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es gelungen ist, eine Formulierung für eine Zielbestimmung, die einen sehr, sehr hohen Anspruch hat, zu finden. Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, nämlich dass wir in partnerschaftlichem Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern den Jugendlichen zu begegnen haben.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich 1986 mit Dr. Moritz diese Schulpartner­schaft verhandelt habe. Ich würde mir wünschen, dass diese Partnerschaft belebt wird, dass Schüler ihre Interessen nicht ausschließlich durch Schülerfunktionäre artikulieren, sondern dass die Schüler insgesamt zum politischen Diskurs bewegt werden. Ich würde mir auch wünschen, dass anerkannt wird – und da bin ich der Frau Bundesmi­nisterin sehr dankbar, dass sie auch auf die Verantwortung der Eltern für die Erziehung der Kinder hinweist –, dass Schule nicht ausschließlich im Klassenraum stattfinden kann, dass Bildungs- und Erziehungsarbeit nicht nur Aufgabe der Fachkräfte, der Pädagoginnen und Pädagogen in Österreich ist, sondern ebenso Aufgabe der Familie.

 


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