Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 151

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Jahr in Neu-Sustrum, einem der gefürchteten norddeutschen Moorlager, verbracht, bevor er Anfang 1945, auf 36 Kilo abgemagert, als Kanonenfutter der Bewährungstrup­pe 500 zugeteilt wurde, einer Einheit, deren Mannschaften ausschließlich aus militär­gerichtlich verurteilten Soldaten bestanden.

Am 24. November 2004 stellte der pensionierte Bundesbahner einen Antrag auf Amts­bescheinigung und Opferfürsorge; nur eine Woche später, einen Tag vor seinem 80. Geburtstag, erhielt P. eine Antwort von der Behörde. Diese konnte in P.s Leidens­geschichte keine – ich zitiere – „Haft aus politischen Gründen“ erkennen, und da sich – ich zitiere – „weder die gesetzlichen Bestimmungen noch die Sachlage seit der letzten Entscheidung geändert haben,“ – P. hat bereits 1989 vergeblich um Opferfürsorge angesucht – „war der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen“.

Das war in Ihrem Ministerium, Herr Kollege Haupt! Ich kann Ihnen auch den Bescheid vorlegen: Wien, 2. Dezember 2004. Ich zitiere nochmals: „Da sich weder die gesetzli­chen Bestimmungen noch die Sachlage seit der letzten Entscheidung verändert haben, war der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“

Das sind Tatsachen, Herr Kollege, und das ist auch ein Grund, warum wir heute hier und jetzt leider noch immer zwei unaufgearbeitete Kapitel dieser Republik diskutieren müssen – heute, am 12. Mai, heute im Jahr 2005! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen auch noch ein anderes Zitat präsen­tieren, denn es waren nicht nur Deserteure; es waren nicht nur Menschen mit Behinde­rung; es waren nicht nur sozial Diskreditierte; es waren auch Menschen mit homo­sexuellen Neigungen, die bis heute nicht rehabilitiert worden sind.

Ich darf Ihnen aus dem „Kurier“ vom 4. Mai zitieren:

„Obwohl meine Vorstrafe durch die Wehrmachtsamnestie getilgt war, ist mir die Wie­dereinstellung in den Finanzdienst verweigert worden. (...) Am meisten schmerzt mich, dass ich die beiden Jahre in Haft für meine Pensionsanrechnung nachkaufen musste. Andere Ex-Gefangene hatten dieses Problem nicht.“ – Das sagt Herr Erwin Wid­schwenter in einem „Kurier“-Interview.

Auch das ist eine Tatsache: Menschen die wegen ihrer anderen sexuellen Orientierung inhaftiert waren, haben Schwierigkeiten mit der Pensionsanrechnung und sind heute nach wie vor diskreditiert. Das ist unser Problem, dem wir uns politisch stellen müs­sen und für das wir politisch eine Antwort brauchen.

Herr Staatssekretär Morak, Sie haben einiges in Aussicht gestellt, aber die politische Antwort sind Sie uns schuldig geblieben, denn die politische Antwort heißt eine Rehabi­litierung und heißt weg von Amnestie, vom Gnadengedanken hin zum Rechtsanspruch, hin zum Rechtsgedanken. (Beifall bei den Grünen.)

Diesen Schritt – diesen politischen Schritt! – sind wir nicht nur uns persönlich schul­dig, sondern auch der zukünftigen Generation. In all diesen Festansprachen wurde ja immer wieder der Hinweis genannt: lernen und nie wieder. Heute Vormittag haben wir über Schulreformen und über Anliegen der zukünftigen Generation diskutiert. Wir müs­sen auch Sachverhalte schaffen und politische Bekenntnisse ablegen, die einen ge­wissen Vorbildcharakter haben, die endlich einen Schlussstrich unter die negativen Kapitel der Vergangenheit ziehen und die endlich Rechtssituationen klarstellen und nicht Gnadensituationen fortdauern lassen.

Herr Staatssekretär, darum lasse ich die Verlesung der Meinung des Herrn Bundes­kanzlers nicht unwidersprochen im Raum stehen. Darum fordere ich wieder und noch­mals: Lassen Sie wirklich Recht ergehen – Recht vor Gnade und nicht umgekehrt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


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