Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 155

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notwendigen Respekt erweisen. In diesem Sinne bin ich sehr für eine Lösung, auch wenn sie jetzt spät zustande kommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. Seine Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.43.37

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Ich möchte daran erinnern, dass Frau Abgeordnete Stoisits zu Beginn ihrer Aus­führungen gesagt hat: Wer schweigt, stimmt zu.

Das stimmt nicht im juristischen Sinn, das stimmt aber sicherlich im politischen Sinn: Es gibt Situationen, in denen man entsprechend reagieren muss. Und ich denke, dass man dem, was Sie, Frau Abgeordnete, gesagt haben, grundsätzlich entgegenhalten kann und auch muss, dass sich die Republik Österreich, die Zweite Republik, nicht verschwiegen hat in Bezug auf die Gräuel des Nationalsozialismus, sondern dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um diese Verbrechen vergessen zu machen, zu bekämpfen, wieder gutzumachen, was nicht bedeutet, dass nicht noch einiges, das eine oder andere, weiterhin zu tun wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt jedoch einen Grundkonsens in diesem Land, und der lautet, dass die Verbre­chen des Nationalsozialismus einhellig und ohne jeden Abstrich abgelehnt werden, dass sie verabscheut werden und dass man sich gemeinsam bemüht, Wiedergut­machung zu leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Sie daran erinnern, dass sich die drei Weisen in unserem Lande im Jahr 2000 auch für diese Frage interessiert haben, und ich habe ihnen im Namen des Justizminis­teriums eine Dokumentation darüber vorgelegt, was in Österreich bereits geschehen ist in puncto Wiedergutmachung. Die waren sehr erstaunt. Es war auch ein deutscher Hochschulprofessor dabei, der die deutsche Rechtslage sehr genau kennt, der Herr Professor Frowein, und auch er hat zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir viel, viel mehr getan, als die Deutschen gewusst haben, und vielleicht sogar mehr, als die Deut­schen selbst getan haben. Es soll hier kein Wettbewerb stattfinden, das möchte ich schon sagen, aber was wir tun konnten, haben wir immer getan, und, Frau Abgeord­nete, wir haben uns hier nie verschwiegen.

Wir haben allen Grund – das möchte ich jetzt auch einmal sagen, denn das ist bisher untergegangen –, stolz auf unseren Gesetzgeber zu sein, der wenige Monate nach der Geburtsstunde der Zweiten Republik bereits das Aufhebungs- und Einstellungsge­setz 1945 beschlossen hat. Zunächst unerkannt war in diesem Aufhebungsgesetz auch die „Befreiungsamnestie 1945“ enthalten.

Ich gehe auf das ein, was Sie, Herr Dr. Pilz, gesagt haben. Ich gebe Ihnen natürlich zum Teil begrifflich-inhaltlich Recht. Diese Befreiungsamnestie – das erste Wort stellt Sie völlig zufrieden, das zweite nicht – hat den Schönheitsfehler, dass darin das juris­tische Wort „Amnestie“ vorkommt. Frau Dr. Fekter hat das schon gesagt. Ich füge aber hinzu, dass – und das ist wieder rein juristisch – es in Österreich nicht darauf ankommt, welche Überschrift ein Gesetz oder ein Paragraph trägt, sondern wie es inhaltlich gestaltet ist. Und diesen zweiten Teil, der zur Vollständigkeit gehört – und zur Wahrheit gehört die Vollständigkeit –, haben Sie dem Hohen Hause nicht mitgeteilt, dass näm­lich inhaltlich ex lege in diesem Gesetz rückwirkend alle Urteile der NS-Militär- und der SS-Gerichtsbarkeit aufgehoben wurden. Aufgehoben wurden!

Es ist richtig, dass prinzipiell bei einer Amnestie im Sinne der österreichischen Rechts­sprache, die bis in die Verfassung reicht, diese Aufhebung von Verurteilungen nicht


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