Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 173

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Ich möchte nochmals betonen: Ein Geschworenengericht hat seinerzeit den Schuld­spruch gefällt und eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Der Oberste Gerichtshof hat damals dieses Urteil bestätigt. In der Sache selbst ist seither sowohl entlastendes als auch belastendes Material zutage getreten.

Ein solches – es ist auch schon mehrfach von meinen Vorrednern angesprochen wor­den – wirklich sehr diffiziles Verfahren durch eine Weisung meinerseits vom Schreib­tisch aus zu beenden, wäre aus meiner Sicht rechtsstaatlich mehr als bedenklich und ist für mich als Justizministerin dieser Republik in keinem Fall zu verantworten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meiner Meinung nach – und das ist für mich ganz wesentlich – ist nur das zuständige Gericht dazu berufen, diesen Fall endgültig zu beenden. Ich darf aber an dieser Stelle nochmals anmerken, dass dieses Verfahren deswegen noch offen ist, weil sich Herr Tibor Foco diesem Verfahren nicht stellt.

Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass ich nach wie vor zu meinem Angebot stehe und bereit bin, Herrn Tibor Foco freies Geleit für dieses Verfahren zu gewähren. Was noch fehlt, ist der entsprechende Antrag des Herrn Tibor Foco. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zum Wort kommt Herr Abgeord­neter Dr. Böhmdorfer. Herr Abgeordneter, Sie haben ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.54.26

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Frau Abgeordnete Dr. Moser! Ich komme einfach nicht dahinter, warum Sie diese Anfrage gestellt haben. Ich komme nicht dahinter. Auch die heutige Begründung war wirklich nicht so, dass man sagen konnte, die Frau Abgeordnete hat wirklich ein Anlie­gen, da ist etwas faul in diesem Verfahren, da gibt es grobe Mängel, das sollte man sich eigentlich auch einmal im Nationalrat anschauen, ob mit dieser Justiz grundsätz­lich etwas nicht stimmt.

Eine Erklärung dafür, warum Sie diese Anfrage in dieser Form stellen, auch in dieser Oberflächlichkeit, muss ich gleich dazusagen, bestünde darin, dass Sie ein nicht geordnetes Verhältnis – ich sage es sehr, sehr vornehm und zurückhaltend – zur Justiz haben.

Ich darf Ihnen schon sagen: Es ist eigentlich furchtbar, welche Lücken und welches Unverständnis da hervorkommen. Es geht um einen Mord im Rotlichtmilieu, unter schrecklichsten Umständen, und da wird 1987 ein Angeklagter rechtskräftig zu lebens­langer Haft wegen Mordes verurteilt: Tibor Foco. Es gelingt ihm dann, weil er – moder­ner Strafvollzug – die Gelegenheit hat, in Linz Jus zu studieren und einen Hörsaal zu besuchen, 1995 die Flucht. Dann wird sein Mittäter freigesprochen, was letztlich auch zu einer Wiederaufnahme seines Verfahrens führt.

Jetzt bekommt er nach Österreich freies Geleit, hat also alle Chancen, sich erneut zu verteidigen. Niemand kann sagen, dass in Österreich jemand vorweg als Verurteilter gilt, wir pflegen die Unschuldsvermutung, wir haben einen Rechtsstaat, wir haben Rechtsmittel, jeder bekommt seinen Verteidiger, ob er Geld hat oder nicht. Er bekommt freies Geleit, was nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist. Nun verletzt er diese Begünstigung, befolgt nicht die Spielregeln, die Kaution verfällt: Tibor Foco erscheint nicht. Also kommt es nach dem wieder aufgenommenen Verfahren wieder zu einer Überprüfung: Muss ihn die Republik Österreich anklagen oder nicht?

 


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