Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 71

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

entsprechend – Stichwort: Ministerin Prokop und angeblich 45 Prozent nicht integra­tions­williger Muslime in Österreich; BZÖ-Chef Westenthaler will ein Drittel der Aus­länder und Ausländerinnen, und da meint er in erster Linie Menschen türkischer Herkunft, Muslime und Ähnliches, aus Österreich abschieben. Ressentiments haben jetzt hier Raum gewonnen, den sie bis dahin nicht hatten. Und Strache und sein Volksbegehren haben hier den Boden aufbereitet.

Die Behauptungen, die dem Volksbegehren zu Grunde liegen – Massenmigration aus der Türkei in die Europäische Union, wenn die Türkei beitritt –, sind lauter Behaup­tungen, die in erster Linie das Schüren von Ängsten im Auge haben, die aber haltlos sind, wie man weiß, wenn man sich ein bisschen die Geschichte der Erweiterung der Europäischen Union anschaut sowie Erfahrungen, die man gemacht hat – das auch an die Adresse der Sozialdemokraten – mit der Erweiterung der Union. Ich erinnere Sie an Spanien/Portugal, ich erinnere Sie an die Osterweiterung 2004 und die Auswirkun­gen – immer aus dem Blickwinkel Österreichs betrachtet. Na bitte: Niemand – kein anderes Land der Europäischen Union! – hat von der so genannten EU-Osterweiterung ökonomisch so viel profitiert wie Österreich bis jetzt, obwohl der Zeitraum kurz ist. Und dieser „Profit“ wird sich noch weiter steigern.

Zur Behauptung der FPÖ im Volksbegehren, der EU-Beitritt sei unfinanzierbar: Man kann alles behaupten! Man kann alles behaupten, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, Argumente dafür zu suchen. Seriös können solche Behauptungen frühestens am Ende von Verhandlungen gemacht werden, denn das ist ja alles eine Frage auch des Finanzrahmens der EU beispielsweise, von dem wir ja keine Ahnung haben, wie er nach 2014 ausschauen wird.

Jetzt komme ich noch zu einem vierten und letzten Punkt in Bezug auf die Türkei, weil mir die Entwicklung in der Türkei als Land an sich auch Sorge bereitet, unabhängig von den Ambitionen des Beitritts zur Europäischen Union. Sorge bereitet die Frage der Reformen in der Türkei, mit der durch das Volksbegehren statuierten Behauptung, die Türkei sei unreformierbar. Reformen wurden in der Türkei – ich würde es so bezeich­nen – angestoßen. Manche Reformen haben begonnen, die große Strafrechtsreform beispielsweise oder auch Reformen innerhalb des Justizsystems, aber niemals könnte man heute die dezidierte Behauptung aufstellen, dass diese Reformen tatsächlich bereits abgeschlossen seien. Das Justizsystem beispielsweise in der Türkei ist jedenfalls sicher noch nicht wirklich unabhängig und wirklich effizient, aber, bitte, der Türkeibeitritt ist ja nicht am 1. Jänner 2007, sondern der Türkeibeitritt steht uns, wenn ich alle Einschätzungen hernehme, die diesbezüglich getroffen werden, vielleicht in rund zehn Jahren bevor. Und diese zehn Jahre sind es, die die Türkei nutzen muss – und nutzen wird nach meiner Einschätzung – für diese Reformen.

Ich sage es nur noch in Stichworten:

Meinungsfreiheit und Einschränkungen: Auch da gibt es erhebliche Probleme, die zu lösen sind.

Diskriminierung von Frauen: Eine 20-Prozent-AnalphabetInnen-Rate in einem Land der Europäischen Union ist kein Zustand, der für diese Union tragbar ist, nämlich dann, 2014, und deshalb sollten jetzt Maßnahmen gesetzt werden, um diese AnalphabetIn­nen-Rate auch zu senken.

Die Frage der Religionsfreiheit in der Türkei – ich denke jetzt an den Status der Aleviten in der Türkei – ist auch etwas, was jedenfalls vor diesem Tag – sprich: Ende der Verhandlungen – zu klären sein wird.

Und zuletzt noch jene Frage, die uns auch hier in Österreich beschäftigt, weil hier ja viele Österreicherinnen und Österreicher leben, die kurdischer Herkunft sind: die Frage


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite