Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll35. Sitzung / Seite 27

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Wieder einmal geht es in diesem Finanzausgleich fast ausschließlich um die Verteilung von Mitteln und nicht um die großen Reformprojekte, die seit Jahren gefordert werden. Längst pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Unser Finanzausgleich ist durch ein Transferchaos gekennzeichnet. Allein auf Gemeindeebene gibt es 210 000 Transfer­zahlungen. Das ist die Folge eines föderalen Systems, in dem die Verantwortung für die Erledigung einer Aufgabe und deren Finanzierung, Herr Finanzminister, auseinan­derfallen. Anders formuliert: Eine Ebene schafft an, die andere zahlt. Das kann nicht gut gehen. Und dafür gibt es im Finanzausgleich Dutzende Beispiele. Und so sind die föderalen Beziehungen Österreichs und der Finanzausgleich zu einem Paradies der Unwirtschaftlichkeiten geworden. So bleiben Millionen bis zu einer Milliarde, würde ich sagen, Beträge an Euro auf der Straße liegen, die wir so dringend brauchen für die Kinderbetreuungseinrichtungen, für die Schulen, für den Klimaschutz und für vieles mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Genau diese Reformnotwendigkeiten werden wieder einmal auf die lange Bank ge­schoben. Wann werden Sie, Herr Vizekanzler, erkennen, dass sich diese Form des Fö­deralismus überlebt hat und nicht mehr zukunftsfähig ist? Eine Neubelebung des Föde­ralismus erfordert nicht nur eine Neuordnung der Kompetenzen, sondern auch ein Mehr an Verantwortung für jene Steuermittel, die von den Gebietskörperschaften aus­gegeben werden.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass die Landeshauptleute für lediglich etwa 3 Pro­zent ihrer gesamten Einnahmen die Verantwortung tragen, dann bringt sie das natür­lich in eine sehr bequeme Position, nämlich in die Position von Landesfürsten, die Geld ausgeben, für das andere die Verantwortung tragen. Ein solches System ist zwangs­läufig unwirtschaftlich. Aber die Frage erweiterter Steuerhoheit für die Länder wurde bereits beim Auftakt der Finanzausgleichsverhandlungen ad acta gelegt. Die Länder wollen das nicht, hat es schlicht geheißen.

Wer nicht bereit ist, ein Mehr an Eigenverantwortung zu übernehmen, der stellt sich zu­nehmend selbst in Frage. Wer trotz einer Zweidrittelmehrheit nicht bereit ist, an diesem ineffizienten System zu rütteln, kann sich nicht rühmen, einen Zukunftspakt geschmie­det zu haben. (Beifall bei den Grünen.) Im Gegenteil: Dieser neue Finanzausgleich betoniert die Unwirtschaftlichkeiten auf weitere sechs Jahre. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Standard & Poor’s hat ja auch von einer vertanen Chance gesprochen, Herr Kollege. Haben Sie „Die Presse“ von gestern nicht gelesen?

Nun zum kommunalen Finanzausgleich. Der Finanzausgleich zwischen den Gemein­den folgt weiter dem populistischen Schlachtruf, jeder Bürger ist gleich viel wert, und geht von der überkommenen Vorstellung der Einheitsgemeinde aus. Die gibt es längst nicht mehr. Es ist vielfach wissenschaftlich nachgewiesen, dass größere Gemeinden einfach mehr Finanzmittel brauchen, weil sie Aufgaben erfüllen, die von anderen, die außerhalb der Gemeinde wohnen, in Anspruch genommen werden. Und die Einheits­gemeinde ist eine Fiktion, die es längst nicht mehr gibt. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Und wer daran festhält, der zeigt damit, dass er noch nicht einmal in der Gegenwart angekommen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Die Zukunftslösung wäre – Herr Kollege, jetzt sage ich es Ihnen –, das Geld entspre­chend den tatsächlichen Aufgaben zu verteilen. Nur wer Zentren, auch die kleinen Zentren im Raum fördert, sage ich Ihnen, der tut den Menschen etwas Gutes, denn Zentren, auch die kleinen Zentren im Raum sind die wirtschaftlichen, die gesellschaftli­chen und die kulturellen Motoren unseres Landes, auch für das Umland. (Beifall bei den Grünen.) Und das gibt den Menschen Sicherheit. – Danke. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mag. Molterer. – Abg. Mag. Rossmann: „Kleine Zentren im Raum“ habe ich gesagt!)

10.39

 


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