Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll35. Sitzung / Seite 42

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Wir hätten uns gewünscht, dass es eine echte Diskussion, eine ernsthafte Debatte über das zukünftige Rollenbild: Wie verteilt man Betreuungspflichten in den Familien in Österreich?, gegeben hätte und dass man sich die positiven Vorbilder, die es in vielen anderen Ländern gibt, auch ernsthaft zu Herzen nimmt und sich die funktionierenden Dinge einfach abschaut, vor allem von den skandinavischen Ländern.

Die Familienpolitik ist nach wie vor auch ein Schlüssel zur Gleichstellung, was die Ein­kommensfrage betrifft. Vor dem Hintergrund, dass mittlerweile fast jede zweite Frau in Österreich Teilzeit arbeitet, dass die Einkommensschere weiter auseinandergeht und dass bei der Väterbetreuungskarenz das äußerst niedrige Niveau von 3,irgendwas Pro­zent auf nur 3,2 Prozent angestiegen ist, hätte es einen großen Wurf gebraucht und nicht diese kleine, sehr, sehr mutlose Reform beziehungsweise dieses Reförmchen. (Beifall bei den Grünen.)

Völlig unverständlich ist mir die Position der ÖVP, denn ich glaube, dass auch die ÖVP Interesse daran haben muss, dass gerade berufstätige Frauen, Frauen, die sich Zeit genommen haben, in ihre Ausbildung zu investieren, die sich auch für den Beruf Zeit genommen haben, die sich vorgekämpft haben, die in gewisser Weise an die gläserne Decke kratzen, die die Vorkämpferinnen auch in der Gesellschaft für Gleichberechti­gung sind, dass genau diese Frauen durch solch ein Kindergeld-Modell nicht bestraft werden. Das ist aber nach wie vor der Fall.

Dieses Kindergeld-Modell ist eine Eisenkugel am Fuß der berufstätigen, vor allem gut ausgebildeten Mütter, die versuchen, mit einem Fuß in der Tür zu bleiben, und die nach wie vor mit der Zuverdienstgrenze und dem Chaos, das damit verbunden sein wird, extrem gehandicapt sein werden. Das ist sehr schade. Ich verstehe nicht, wel­ches Frauenbild Sie tatsächlich haben, wenn Sie es gerade diesen Frauen – auch an Sie, Frau Bundesministerin für Familie, gerichtet – erschweren, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist mir auch völlig unverständlich, warum Sie von der ÖVP immer dann, wenn man mehr Leistung von den Vätern einfordert und das auch in einem Modell sichtbar ma­chen will, indem man zum Beispiel einen Teil des Geldes an väterliche Betreuungs­pflichten koppelt, mit dem Zwangsargument kommen. Das verstehe ich nicht, vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass es für viele Frauen keine Freiheit ist, sich entscheiden zu können, sondern eine Pflicht. Sie sagen, für Männer wäre das Zwang – aber für Frauen bedeutet das oft genauso Zwang. Also die Argumente stimmen nicht zuein­ander, außer man hat noch ein sehr tradiertes Rollenbild: Für die Frau ist es Pflicht, sie muss es einfach machen, und der Mann kann sich entscheiden. Das verstehe ich nicht, zumal auch in Ihren Reihen moderne Frauen sitzen, für die es selbstverständlich ist, dass die Männer und Väter genauso Betreuungspflichten übernehmen und sich genau­so halbe-halbe nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den älteren Familienange­hörigen um diese unbezahlte Arbeit kümmern. (Beifall bei den Grünen.)

In Richtung SPÖ: Viele Vorschläge, die für Sie sehr wichtig waren, haben Sie einfach über Bord geworfen. Was ist aus dem Vorschlag von Sozialminister Buchinger ge­worden, den „Papamonat“ einzuführen? – Davon sehen wir keinen einzigen Beistrich mehr. Was wurde aus dem sehr wichtigen Anliegen, die AlleinerzieherInnen nicht wei­ter zu diskriminieren? AlleinerzieherInnen erhalten jetzt weniger Geld als Paare. – Das ist überhaupt nicht zu argumentieren. Ihre große offene Wunde ist nach wie vor, dass Menschen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben – in diesem Fall sind es die subsidiär schutzberechtigten Menschen, die in ihrem Heimatland verfolgt wer­den –, und deren Kinder nach wie vor diskriminiert und benachteiligt werden. Auch das verstehe ich nicht. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht mehr um diese sehr wichtigen Anliegen gekämpft haben. (Beifall bei den Grünen.)

 


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