Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll35. Sitzung / Seite 167

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lege ich es an? – Indem ich die Bausteine nach ihren logischen Inhalten zusammen­zusetzen versuche.

Man soll zwei Dinge nicht vermischen: Das sind einerseits der Strafkatalog, die im Strafgesetzbuch und in Nebengesetzen möglicherweise oder wahrscheinlich oder si­cher vorhandenen Strafkonsequenzen für die Erfüllung des Straftatbestandes, also der Strafrahmen, und andererseits das Element des Vollzugsrechtes.

Zum Ersteren: Es ist gewiss gerechtfertigt und gibt Anlass genug – in Form von neuen Erkenntnissen –, an der bisher gepflogenen Inhaltslage des Strafkataloges eine Re­formschraube anzusetzen. Zum Beispiel: Es ist nicht neu, aber immer wieder hervorzu­heben, dass wir ein gravierendes Missverhältnis zwischen den Rechtsfolgen im Be­reich der Vermögensdelikte und im Bereich der Körperverletzung haben.

Da gab es seinerzeit einen alten Oberlandesgerichtspräsidenten, der bei Gott nicht für Milde bekannt war, sondern eher das Gegenteil, aber er hat in den Kursen einmal den durchaus erinnernswerten Satz geäußert: Das Billigste in Österreich ist Menschen­fleisch. – Also: Wehe, es stiehlt einer 50 000 S, dann war er für ein paar Jahre im Häf’n. Aber schwere Körperverletzung mit allem drum und dran, na ja, wenn man ein bisschen gut wegkommt, dann ist das ein halbes oder ein Dreivierteljahr.

Das durchzieht die österreichische Strafrechtspflege seit Jahren und Jahrzehnten. Es wäre höchst an der Zeit, an diesen Kriterien eine Veränderung vorzunehmen. Es gibt ja auch das berühmte Ost-West-Gefälle: Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss mit schwe­rer Körperverletzung führt im Osten zwingend zu einer Gefängnisstrafe, nicht aber im Westen Österreichs.

Das führt mich zu einer anderen Auffassung, Frau Bundesministerin. Es wird ein biss­chen stehsatzartig immer gesagt, dass kurze Haftstrafen den Haftzweck oder den Strafzweck verfehlen. Ich gestatte mir, Ihnen entgegenzuhalten, dass das nicht so ist. Es ist geradezu typisch für den Delikttypus des Verkehrsunfalltäters mit Alkohol – Disco und so weiter, und ein bisschen über den Durst trinken –, dass die kurze Haft­strafe – vier, sechs, sieben, acht Wochen – da sehr, sehr treffsicher wirkt. Also ich war­ne davor, dass man diese mit einem Generalisierungseffekt als unzweckmäßig dar­stellt. Die sechswöchige Haftstrafe nützt natürlich bei einem hartgesottenen Typen gar nichts, aber es kommt auf den Delikttypus an.

Ferner: Es ist keine „rechte Romantik“, von der Meinung auszugehen, mehr Häftlinge würden mehr Sicherheit bedeuten. – Entschuldigung, das ist ein Unsinn, weil es einen Grundsatz der Strafrechtspflege per se berührt: Das ist der Aspekt der Generalpräven­tion oder der Spezialprävention. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Autoren bezweifeln überhaupt den Sinn der Generalprävention, weil jeder subjek­tiv zur Tat entschlossene Täter immer überzeugt ist, dass er nicht erwischt wird. Das ist genau die soziale Falle, in der die Strafrechtspflege prinzipiell steckt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie es überhaupt – jetzt noch ein Luxus, den ich mir erlaube, indem ich darauf hinwei­se – immer lohnend ist, ein bisschen Geschichtsdenken einzubauen in das, was man redet. Wir befinden uns derzeit in einer Art Missing-Link-Verhältnis: Das Strafrecht als Gefängnisstrafrecht ist rechtshistorisch sehr kurz. Es fängt eigentlich erst mit dem Be­ginn des 19. Jahrhunderts an. Vorher war das Gefängnis nur der Verwahrungsort, bis die Leibesstrafe vollzogen wurde. Und in 200 Jahren werden die Menschen über uns genauso lachen. Wahrscheinlich wird es dann chemische Eingriffe oder elektrochemi­sche, mechanische Dinge im Gehirn geben (Abg. Mag. Steinhauser: Na, hoffentlich nicht!), um die kriminelle Energie zu entziehen. Aber das ist Zukunftsmusik.

 


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