Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung / Seite 47

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gegeben ist: Ist das einer von uns oder ist das einer von den anderen? Und mit „uns“ ist immer die eigene Partei gemeint, in diesem Fall die ÖVP. Ganz selten kommt es einmal vor, dass jemand nicht genommen werden soll, obwohl er von der ÖVP ist. Dar­über habe ich mich sehr amüsiert beim Studieren des „profil“ von gestern, Sonntag: dass in einem Fall – es ging, glaube ich, um Baden in Niederösterreich – aus dem Schriftverkehr hervorgeht: Es gibt dort zwei Bewerber, einen von der SPÖ und einen von der ÖVP, aber den von „uns“, den können wir wirklich nicht nehmen, weil das sei ein Idiot. – So steht es im Schriftverkehr, der im „profil“ abgedruckt ist. Es kommt also vor, dass in solchen Fällen jemand anderer genommen wird, aber das ist offensichtlich die ganz, ganz große Ausnahme gewesen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren auch auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Die Lis­te der behaupteten, vermuteten Verfehlungen ist lang, und sie wird länger. Ich betone: Es sind offene Fragen, die hier auftreten; als bewiesen kann noch das Wenigste davon angesehen werden. Es sind offene Fragen, die der Aufklärung bedürfen; offene Fra­gen, erstens, ob im Falle der BAWAG-Affäre die kriminalpolizeilichen Ermittlungen ein­seitig missbraucht worden sind, um der ÖVP Informationen zu liefern, um der SPÖ zu schaden. Uns geht es nicht darum, dass der SPÖ Schaden zugefügt werden sollte. Die BAWAG-Affäre gehört rückhaltlos aufgeklärt, das ist keine Frage. Aber ist es richtig, dass dem Innenministerium zuerst die Informationen gegeben werden sollten – vor allen anderen?

Zweitens: Ist es richtig, dass im Zuge des Banken-Untersuchungsausschusses letztes Jahr zuerst dem ÖVP-Parlamentsklub Informationen gegeben werden sollten, bevor sie dem Ausschuss zugeleitet werden? Das wäre ein schwerer Missbrauch der zustän­digen Institutionen und Abteilungen.

Drittens: Wie ist zu erklären, dass die Ermittlungspannen im Falle Kampusch nicht auf­geklärt wurden, selbst dann nicht, als offenkundig war, dass hier schwere Pannen pas­siert sind? Ist es richtig, dass vor der Nationalratswahl 2006 per Ministerweisung, per Weisung durch das Ministerbüro die entsprechenden Ermittlungen unterbunden wur­den? – Zum Schaden von Frau Kampusch, muss man dazusagen.

Viertens: Wie ist es möglich, dass ein Ministerbüro einem Kriminalbeamten die Wei­sung erteilt, gegen einen missliebigen Rechtsanwalt eine willkürliche, mutwillige Straf­anzeige zu erstatten? Das muss man sich einmal vorstellen: dass das Ministerbüro einem Kriminalbeamten sagt: Mach gegen Herrn X – es handelt sich um den Rechts­anwalt Bürstmayr – eine Anzeige wegen Verdachts der Schlepperei! Der zuständige Beamte sagt: Bitte, gegen den liegt nichts vor! Das Ministerbüro sagt: Wurscht, mach eine Anzeige! Der zuständige Beamte sagt: Aber bitte, wenn ich gegen den eine An­zeige erstatte, kann ich jeden anzeigen, der bei Grün über die Straße geht! – Das muss man sich einmal vorstellen! Das kann jeden von uns betreffen, jede Bürgerin, jeden Bürger, wenn das einreißt. In diesem Fall war es ein Rechtsanwalt, der sich wehren konnte. Für viele von uns trifft das nicht zu.

Fünftens: Ist es richtig, dass illegal und unzulässig EKIS-Daten – das heißt Daten aus der polizeilichen Informationsdatei – weitergegeben wurden an bestimmte Personen aus der ÖVP beziehungsweise an die Medien?

Sechstens: Ist es richtig – das ist auch ein Fall, der erst in den letzten Tagen aufge­taucht ist –, dass Steyr panzerbrechende Waffen in den Iran geliefert hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Innenministerin diesen Export schon untersagt hatte, während das Ministerbüro die Angelegenheit angeblich – ich betone: angeblich! – so verschleppt hat, dass der Export trotzdem stattfinden konnte?

Da frage ich mich: Ja wo sind wir denn, meine Damen und Herren? Das Wort der Mi­nisterin zählt nichts? Das Wort des Ministerbüros ist wichtiger als alles andere? – Das


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