Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 100

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Hinsichtlich der Volksabstimmung, der Volksmeinung ist das, was Sie heute hier leis­ten, nichts anderes als eine Kapitulation, eine wirkliche Kapitulation. Denn wenn Sie schon der Meinung sind, dass dieser Vertrag nicht gesetzlich verpflichtend einer Volks­abstimmung unterzogen werden soll, okay, dann ist das Ihre Meinung. Da gibt es ver­schiedene Rechtsexperten. Was aber hindert uns daran, gemeinsam die österreichi­sche Bevölkerung mit einzubinden und zum Beispiel im Rahmen einer Volksbefragung ihre Meinung zu erörtern, sie zu fragen, was sie von diesem europäischen Vertrag hält. Das wäre, glaube ich, der richtige Weg. Ohne Volksabstimmung ist dieser EU-Vertrag letztlich nichts anderes als ein ungedeckter Scheck, für den die Bürger die Zeche zah­len. Und die Regierung proklamiert ihre Politik mit den Worten: Direkte Demokratie mit unserer Regierung nie!

Es hat sogar im Ausschuss eine interessante Begegnung gegeben – seien Sie mir nicht böse, Frau Kollegin Grossmann, dass ich Sie jetzt zitiere –: Als wir im Ausschuss vehement für einen Volksentscheid eingetreten sind, hat die Vertreterin der SPÖ ge­sagt: Das brauchen wir deshalb nicht, weil Volksabstimmungen in Österreich nicht in­flationär werden sollen. Wissen Sie, wie viele Volksabstimmungen es in Österreich ge­geben hat? – Zwei bundesweite Volksabstimmungen, eine zu Zwentendorf und eine zum EU-Beitritt. Wissen Sie, wie viele Volksbefragungen es gegeben hat, seit es das Gesetz gibt? – Keine! Nicht eine bundesweite Volksbefragung hat es gegeben!

Das ist das, was wir kritisieren: dass Sie jetzt als Argument anführen, die repräsentati­ve Demokratie soll das entscheiden, wozu haben wir sie?! Das heißt also die gewähl­ten Volksvertreter. – Okay, wir nehmen das zur Kenntnis. Wir nehmen das zur Kennt­nis und fordern die Menschen, die uns heute zusehen, als glühende Österreicher und auch als Europäer auf, sich den heutigen Tag ganz dick im Kalender anzustreichen und ihn jedes Jahr erneut anzustreichen. Wenn Sie der Meinung sind, dass nur die re­präsentative Demokratie entscheiden muss und nicht das Volk mittels Volksabstim­mung, dann gibt es nur eine Möglichkeit, wie man seinen Protest und sein Unbehagen gegen diese Vorgangsweise ausdrücken kann, nämlich bei den nächsten Wahlen die Repräsentanten dieser repräsentativen Demokratie auszutauschen und abzuwählen. – Das fordern wir von den Bürgerinnen und Bürgern ein, die in großer Mehrheit sehr skeptisch sind. (Beifall beim BZÖ.) Ihr müsst abgewählt werden! Das ist der einzige Weg, wie wir letztlich solche Entwicklungen verhindern können.

15 000 Kärntnerinnen und Kärntner haben unterschrieben – auf einem Amt, nicht auf der Straße –, mit Legitimation unterschrieben, sodass in Kärnten eine Volksbefragung möglich ist; erfolgt auf Initiierung des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider. Was machen Sie? Sie bedienen sich eines billigen Taschenspielertricks, indem Sie die Rati­fizierung auf den 9. April vorverlegen – ohne Begründung! Noch immer konnte mir nie­mand sagen, warum das heute sein muss und nicht erst im Juni oder auch im Herbst. Ich weiß, warum – weil Sie diese Bürgerinitiative in Kärnten, die sehr breit angelegt ist, unterlaufen und unmöglich machen wollen. Mit der heutigen Ratifizierung haben Sie das geschafft, ist Ihnen das gelungen. Ich kann daher die Kärntner Bevölkerung nur bitten: Zeigt ihnen bei der nächsten Landtagswahl, dass man mit der Bevölkerung nicht so umgehen kann, wie die das tun! (Beifall beim BZÖ.)

Tausende Menschen gehen auf die Straße, um zu demonstrieren. Auch diese müssen ernst genommen werden, und wir lassen sie nicht schlecht machen. Man kann sie nicht in ein linksextremes oder in ein rechtsextremes Eck stellen, denn sie sind genauso gu­te Demokraten – ihre Stimme zählt bei einer Wahl genau gleich – wie Sie, Herr Dr. Van der Bellen, wie Sie, Herr Klubobmann Cap, oder wie Sie, Herr Klubobmann Schüssel. Die Stimme zählt genauso, sowohl bei einer Volksabstimmung als auch bei einer Wahl.


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