Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 129

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man sich nicht einmal bei der Kosovo-Anerkennung auf eine gemeinsame Linie eini­gen, ebenso wenig wie zu den Themen Irak und Palästina. Es gibt keine gemeinsame Außenpolitik. Wenn die Organisation einer Mission in den Tschad monatelang daran scheitert – ob man jetzt dafür oder dagegen ist –, in der ganzen Europäischen Union 15 Hubschrauber aufzubringen, dann braucht man sich über das Papier und über die Realität gar nicht den Kopf zu zerbrechen.

Wenn man – oft zu Recht – darüber klagt, dass die Amerikaner, die Vereinigten Staa­ten die einzige Weltmacht sind und in Wahrheit machen, was sie wollen, dann will man, dass das kleine Österreich alleine bleibt und vielleicht irgendetwas dagegen sagt?! Wen wird das interessieren?

Genauso bei der Globalisierung: Wen wird es interessieren, wenn wir als Österreicher sagen, die Chinesen sollen bei der Produktion von Kleidungsmitteln endlich die Um­weltstandards einhalten, und die Asiaten sollen endlich die Kinderarbeit verbieten? – Niemanden wird es interessieren! Aber es ist von einer Organisation wie der Europäi­schen Union zu verlangen – sie macht das noch immer nicht, aber das wäre ihre Auf­gabe –, dass sie hier als starker Partner auftritt, um die Globalisierung in diesen Berei­chen in die Schranken zu weisen und im Welthandel für Gerechtigkeit zu sorgen, und zwar bei Umweltstandards, bei Menschrechtsstandards und bei den Arbeitsbedingun­gen.

Das sind die Aufgaben und der Nutzen einer Europäischen Union, die funktioniert. Das würde man sich auch von einer offensiven Informationspolitik einer Bundesregierung erwarten, meine Damen und Herren. Aber man versteckt sich hinter einem Neutralitäts­begriff, weil man nicht zugeben will, dass man die Neutralität spätestens mit der Ver­fassungsänderung 1998 aufgegeben hat. Seit damals ist in der österreichischen Bun­desverfassung nämlich verankert, dass auch Kampfeinsätze zur Friedensschaffung ohne UNO-Mandat möglich sind, meine Damen und Herren. Es wäre ein Akt der Ehr­lichkeit, wenn man sagt: Das hat mit der Neutralität des Völkerrechts nichts mehr zu tun, und wir bekennen uns dazu, weil wir in dieser gemeinsamen Sicherheitspolitik mehr Nutzen haben als mit den Instrumenten der Vergangenheit.

Diese Falschinformation und diese Zögerlichkeit schaffen Unzufriedenheit und Furcht vor den Initiativen der Europäischen Union. Ich sage Ihnen aber – und das wäre Mut machen, Herr Klubobmann Schüssel, statt Angst machen –: Wenn man diese positiven Punkte hier in Angriff nimmt, braucht man sich vor Angstmache nicht zu fürchten.

Wir haben eine Idee – wir wollen nicht nur kritisieren –, wie dieses Europa besser wer­den kann, und zwar demokratisch. Deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Westenthaler ein, wo wir eine Neuverhandlung des Vertrages für Europa haben wollen, wo wir ein Kerneuropa schaffen wollen mit höchs­tem Maß an Integration. Die Bevölkerung soll mit Volksabstimmungen selbst entschei­den, ob sie daran teilnehmen will. Alle anderen nehmen hier nur Module heraus. Am äußersten Rand soll es für alle Länder Europas, die nicht beitreten können oder wollen, eine Partnerschaft für Europa geben. Das wäre eine interessante Vision für die Zu­kunft, in einer Zeit, wo wir so wenig Visionen für ein neues Europa haben.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, der EU-Vertrag ist überhaupt kein Problem. Das Problem für mich ist, dass man den jetzigen Zeitpunkt gewählt hat. Der Grund dafür, dass ich heute gegen diesen EU-Vertrag stimmen werde, besteht darin, dass man mit diesem Zeitpunkt ganz bewusst eine Volksbefragung (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek gibt das Glockenzeichen), die von 15 000 Kärntnern eingeleitet worden ist, untergräbt,


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