Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 202

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einer Volksabstimmung freudig zustimmt. Sie alle wissen ganz genau, dass wir deswe­gen keine Volksabstimmung haben, weil Sie befürchten, dass dem nicht zugestimmt wird, weil die Bevölkerung von der EU grundsätzlich seit Jahren enttäuscht ist und weil die Bevölkerung das Gefühl hat, dass ihr durch die EU ihr eigenes Recht entgleitet, die Möglichkeit der Mitgestaltung entgleitet. Die Bevölkerung weiß nicht genau, welchen Einfluss verschiedene Lobbyisten haben; sie weiß es nicht, aber sie hat das Gefühl, hier stimmt etwas nicht.

Jetzt möchte ich auf eine Aktion meiner charmanten Namenskollegin, Frau Brigid Weinzinger, eingehen, die heute etwas getan hat, was ich durchaus befürworte. Sie hat sich für Tibet eingesetzt. Seit ich als junger Mensch „Sieben Jahre in Tibet“ von Hein­rich Harrer gelesen habe, habe ich große Sympathie diesem hochinteressanten Volk gegenüber. Aber ist Ihnen aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit und wie blitz­schnell die Präsidentin unseres Nationalrates diesen Antrag, dieses Anliegen und des­sen Behandlung abgewiesen hat? Warum wohl? – Sie hat zwar gesagt, sie hat auch Interesse an den Tibetern, und das Problem ist ihr durchaus bewusst – in der anschlie­ßenden Geschäftsordnungsdiskussion wurde das auch immer wieder gesagt –, aber es wird nicht behandelt! Warum denn nicht?

Jetzt kann ich Ihnen sagen, warum: Tibet gehört, wenn ich richtig informiert bin, seit dem Jahre 1959 zu China, Tibet ist ein Teil Chinas. Was, bitte, ist China? – China ist ein boomender Wirtschaftsraum. Wer hat Interesse an boomenden Wirtschaftsräumen, in denen man offensichtlich viel Geld machen kann? (Ruf bei der ÖVP: Alle!) Alle? – Da sage ich Ihnen, Interesse daran haben natürlich die globalen, internationalen kapi­talistischen Großkonzerne! Die haben Interesse, und zwar höchstes Interesse; der Ge­mischtwarenhändler in St. Roman hat kein Interesse daran, und der Wirt in Ybbsitz hat auch kein Interesse daran. Die kleine und die mittelständische Wirtschaft fühlen sich ja eher bedroht von diesen großen, globalen Kräften, von diesen globalen kapitalistischen Kräften.

Diese globalen kapitalistischen Kräfte mit ihren Lobbyisten beeinflussen die EU in einem Ausmaß, das immer größer wird – und darum die große Skepsis unserer Bevöl­kerung gegenüber einer weiteren Verstärkung des Einflusses der EU auf unsere Poli­tik! (Abg. Dr. Pirklhuber: Dann tut endlich etwas! Jammert nicht!) Dem müssen Sie doch Rechnung tragen!

Wenn Sie wirklich Demokraten sind, wie Sie es als Sozialdemokraten in Ihrem Namen drinnen haben, wie Sie es in Ihrer Grundhaltung als Christlich-Soziale und Sozialdemo­kraten haben, wenn Sie wirklich Demokraten sind, dann lassen Sie doch, selbstver­ständlich nach einer entsprechenden Aufklärung und nachdem Sie Ihre Überlegungen und Ihre Überzeugungen bekannt gemacht haben, eine Volksabstimmung zu! Das ist das Mindeste, was man erwarten kann. Ich verstehe nicht, warum Sie, wenn Sie so überzeugt davon sind, dass das so gut ist, dies nicht der Bevölkerung nahebringen können. Sind wir als Politiker wirklich schon so abgehoben, dass wir nicht mehr mit dem Volk reden können? (Ruf bei der ÖVP: Nicht wir!)

Meine Damen und Herren! „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit“ – in diesem Fall sage ich nicht „Sire“, sondern sage ich nur: Geben Sie Volksabstimmung! (Beifall bei der FPÖ.)

17.24

 


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