Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 83

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Sprachlos werden wohl auch die Opfer im Fall Josef F. noch einige Zeit bleiben. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Sie brauchen unsere Soli­darität und sie brauchen unsere Hilfe. Es wird – wenn überhaupt! – nur möglich sein, ihre psychischen Traumata zu verarbeiten, wenn sie den größtmöglichen Schutz vor der Öffentlichkeit haben. Ich appelliere hier an alle Medien – an die nationalen und an die internationalen Medien –, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und die Opfer nicht einer sensationsgeilen Mediengesellschaft preiszugeben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.53


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Zwer­schitz. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.53.11

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Hohes Haus! „Unschlagbar“ steht auf diesem T-Shirt. (Die Rednerin deutet auf das genannte T-Shirt, das sie trägt.) „Unschlagbar“ als Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Da dieses T-Shirt von der Bundesjugendvertretung ist, erlaube ich mir, es heute auch als Zeichen gegen Gewalt an Kindern zu tragen – gegen Gewalt an Kindern, die bei uns in Österreich leider noch viel zu üblich ist, weil es bei uns immer noch viel zu üblich ist, dass Kinder nicht als eigenständige Persönlichkeiten angesehen werden, sondern zu züchtigen sind und teilweise auch als Besitz missgedeutet werden.

Gerade die Bundesjugendvertretung setzt sich auch für die UN-Kinderrechtskonvention ein, deren Artikel 3 sagt:

Alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sind zu treffen, damit der Staat in Respektierung der Rechte der Eltern auch die Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernimmt.

Natürlich gilt das auch im Bereich der Jugendwohlfahrt. Im Bereich der Jugendwohl­fahrt sind wir momentan dabei, ein neues Gesetz auszuarbeiten. Die Frage wird aber sein, ob dieses Gesetz dann auch umsetzbar ist, ob wir die Möglichkeiten haben, die wir brauchen. Im Moment sind gerade knappe 900 VollzeitsozialarbeiterInnen im österreichischen Dienst. Diese sind verantwortlich für 1,7 Millionen Kinder. Von denen wird erwartet, dass sie genau wissen, wo Missbrauchsfälle auftauchen und was im Ernstfall zu machen ist. Das sind sicher viel zu wenige.

Es tut mir leid, dass ausgerechnet jetzt Finanzminister Molterer den Saal verlassen hat, denn gerade ihn würde ich gerne zu mehr Ressourcen in dem Bereich auffordern. Bei uns sind die sozialen Institutionen nämlich sicher nicht ausreichend ausgestattet. Ich habe in den letzten Wochen mit mehreren SozialarbeiterInnen gesprochen, die mir erzählt haben, dass sie teilweise Monate an Zeitausgleichsguthaben stehen haben, weil sie derartig viele Überstunden machen, die mir erzählt haben, dass sie die Stan­dards, die sie erfüllen sollen, um Pflegestellen zu überwachen, um Pflegefamilien regelmäßig zu besuchen, nicht einhalten können, weil sie die Zeit und die Ressourcen nicht haben.

In Österreich ist die Jugendwohlfahrt oft eine „Feuerwehr-Einrichtung“. Dort arbeiten Menschen, die täglich überlegen müssen: Was ist der dringendste Fall? Was muss ich als Erstes machen?, und nicht: Was wäre notwendig, um vorzubeugen?

Wenn wir mit der Vorbeugung erst beim Strafrecht ansetzen, sind wir viel zu spät dran. In Ländern wie Dänemark wird von 98 Prozent der Eltern ein freiwilliges Angebot der Gemeinden angenommen. Dieses Angebot bedeutet, dass bereits werdende Eltern regelmäßig Kontakt mit der Sozialbehörde haben. Es gibt eine fest angesagte Zahl von Kontakten zwischen den Eltern und der Sozialarbeiterin, die teilweise auch ins Haus


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