Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 114

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Eine lückenlose Erfassung von Patientinnen und Patienten, die in Therapie stehen, vorzuschlagen, hat das Gesundheitsministerium mehrfach versucht: Einmal im Jahr 2006 durch eine Suchtmittelverordnung, aber irgendwo dürfte man dann im Res­sort doch irgendwie Sorge gehabt haben, dass das nicht ganz verfassungswürdig ist, und im Jahr 2007 hat man einen Ministerialentwurf geschrieben, der in einem § 24b wiederum dieses bundesweite Register beinhaltet hat. Aufgrund massivster Kritik von Expertinnen und Experten wurde der Entwurf aber zurückgezogen.

Nunmehr erfolgt die dritte Auflage dieses Verlangens, und wieder sollen die Daten von Patientinnen und Patienten bundesweit gesammelt werden und bestimmten Ressorts auf Anfrage zur Verfügung stehen, nämlich dem Innenressort, dem Verteidigungsres­sort und sogar dem Ressort für Wirtschaft und Arbeit.

Wenn man sich fragt, worum es sich hier handelt, gibt es eine relativ schnelle Antwort: Abhängigkeit und Sucht sind per definitionem eine Erkrankung. Keinem Bürger, keinem Minister/keiner Ministerin, selbst einem Kanzler nicht, würde einfallen, Diagnosen mit ihren Trägern, den Patientinnen und Patienten, in ein bundesweites Register einzufü­gen.

Sich bei Suchterkrankung einer Therapie zu unterziehen, erfordert massive Kraftan­strengungen für die Kranken. Diese Therapie ist kein Honiglecken, sie erfordert Diszi­plin, sie erfordert aber auch Vertrauen, Vertrauen in die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Und dieses Vertrauen wird jetzt auf die Probe gestellt, wenn Ärztinnen und Ärzte sagen müssen: Liebe Frau/lieber Herr, ich muss Sie nennen, ich muss Sie in ein Re­gister einbringen, das auf Anfrage mehreren Ministerien offengelegt wird – Sie mit Ih­ren Daten, mit Ihrer Erkrankung und mit Ihrer Art der Therapie!

Man hat jetzt den Weg einer Regierungsvorlage gewählt, um dieses Gesetz durchzu­drücken, und das ist sehr durchsichtig: Regierungsvorlagen bedürfen nämlich keiner Begutachtung. Alle Expertinnen und Experten und auch die Ärztekammer mit den be­handelnden Ärzten sind gegen dieses Gesetz Sturm gelaufen, gegen die Entwürfe Sturm gelaufen, gegen die Verordnung Sturm gelaufen. Sie sehen die ärztliche Schweigepflicht durchbrochen und haben Sorge, dass sich PatientInnen, die sich zu einer Suchttherapie aufraffen, aufgrund der Nennung, aufgrund der Nicht-mehr-Anony­misierung dieser Therapie entziehen und wieder in den Untergrund gehen, wo sie nicht mehr erfasst werden.

Das aber hat massive Nachteile. Diese PatientInnen im Untergrund haben keine Mög­lichkeiten, sozusagen zu sauberen, zu ärztlich beobachteten, zu kontrollierten Thera­pien zu kommen, gefährden so nicht nur ihr Leben, sondern schüren Begleitkriminali­tät, um zu Suchtmitteln zu kommen, bekommen zusätzlich massive Probleme verur­sachende Erkrankungen, von Leberentzündungen angefangen, unsaubere Spritzen, etc. pp.

Das heißt, diese Ansicht, man müsste nur jeden Süchtigen, jeden Kranken erfassen, dann sei die Welt in Ordnung, ist eine seltsame, eine gesundheitspolitisch kontrapro­duktive – und dagegen sollte man auch therapeutisch angehen, schlage ich einmal vor.

Es steht der Verdacht im Raum – und das wird als Grund für dieses Gesetz genannt –, dass Abhängige von Arzt zu Arzt pendeln und sich immer wieder das Therapiemittel, das Substitutionsmittel verschreiben lassen. – Dem schiebt das Gesetz jetzt schon einen Riegel vor. Die Amtsärzte müssen verständigt werden, die Leute sind beim Amtsarzt registriert, aber auch der unterliegt einer gewissen ärztlichen Verschwiegen­heitspflicht, und jede Apotheke, wenn jemand diesen Weg ginge, käme drauf: Der hat schon etwas bekommen!, und man würde beim behandelnden Arzt rückrufen, dessen Name ja auf dem Rezept vermerkt ist.

 


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