Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll64. Sitzung / Seite 84

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Jetzt müssen wir uns aber noch fragen: Wieso kam die Situation des Jahres 2010, so­dass wir jetzt in jener Malaise stecken, in der nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa steckt? – Die Antwort kann nicht nur sein, dass man sagt: Die Griechen sind schuld! Die arbeiten nichts, die zahlen keine Steuern! – Das hat ja übrigens fast schon rassistische Anklänge, so wie der Abgeordnete Grosz das bringt. – Es gibt dort genau­so viele Griechen, die ein hartes Los haben, die oft zwei bis drei Jobs haben müssen, um ihre Familie durchzubringen. Und auch die, die heute protestieren – und da hat der Abgeordnete Vilimsky recht –, sind nicht jene, die diese Krise in irgendeiner Form ver­ursacht haben, sondern die bei durchschnittlichen Bezügen im öffentlichen Dienst von 700 € und unserem Preisniveau nicht wissen, wie sie die Kürzung um 100 € oder 200 € hinnehmen werden.

Da müssen wir uns aber schon fragen, was im Gesamtsystem nicht in Ordnung ist. In diesem Gesamtsystem gibt es welche, die sich aus dieser Situation Milliarden geholt haben. Das waren übrigens nicht, wie der Abgeordnete Vilimsky vermutet hat, großteils unsere oder die deutschen Banken, sondern es waren jene Hedgefonds, die, auf dem Vehikel CDS – einem reinen Wettspiel! – basierend, selbsterfüllende Prophezeiungen umgesetzt haben. Und sie haben sich erfolgreich Milliarden beschafft, und sie diktieren heute die Politik in Europa. Nicht mehr alleine Geld regiert die Welt, nein: Wetten re­gieren die Welt!

Dort müssen wir mittelfristig sozusagen in die Parade fahren. Solange wir eine Wäh­rungsschlange waren, haben alle Zentralbanken miteinander verteidigt, wenn der An­griff begonnen hat. Wir haben keine Tools mehr in der Hand, um da zu antworten! Und da müssen wir etwas entwickeln! Herr Finanzminister, das heißt doch, dass das Sys­tem Europäischer Währungsfonds, gemeinsames Vorgehen, aber auch klare Regeln für eine koordinierte Wirtschaftspolitik die Agenda der Zukunft sein werden.

Was die Alternativenlosigkeit betrifft – um hier auch auf die Ausführungen des Abge­ordneten Kogler einzugehen –, so haben ja beide recht: Finanzminister Pröll darin, dass es heute keine Alternative mehr gibt, außer die Schulden für Griechenland zu übernehmen. Um etwas anderes zu machen, dazu ist es jetzt um Monate zu spät. Aber es hat auch Abgeordneter Kogler recht, wenn er sagt, wir hätten vielleicht zu einem frü­heren Zeitpunkt und rechtzeitig handeln können.

Da hat wieder Professor Van der Bellen recht: Eine Schuldige gibt es schon, und die Schuldige heißt unter anderem Angela Merkel. Mit dem Blick auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen so einen Eierkurs über zwei Monate zu fahren, ist nicht verant­wortlich! (Ruf von der Regierungsbank: „Eiertanz“!) – Danke: Eiertanz. (Neuerlicher Ruf von der Regierungsbank: Nein, nicht „Eierkurs“!)

Dem Kollegen Bucher sei übrigens ins Stammbuch geschrieben: Auch das Nützen einer Situation der Uninformiertheit der Bevölkerung, um à la „Bild Zeitung“ gegen eine Griechen-Hilfe mobil zu machen, wäre dieselbe Art von Politik. Und ich hoffe, dass die Opposition in Österreich diese Art von Politik nicht wählt. Jetzt müssen wir gemeinsam durch, wir müssen die Finanzierung für Griechenland übernehmen. Aber zu einem sind Sie herzlich eingeladen: mit uns gemeinsam einen Kurs zu fahren, dass zumindest Ös­terreich geschlossen für eine Regelung all dieser Odyssee-Geschäfte eintritt, dafür, Spekulanten in die Schranken zu weisen, geordnete Finanzmärkte sicherzustellen, die Durchsetzung einer Finanztransaktionssteuer und die Durchsetzung ordnungsgemäßer Steuerzahlungen in ganz Europa.

Herr Professor Van der Bellen – dies sei als Letztes gesagt – hat noch einmal recht ge­habt, wenn er sagte, bei 32 Prozent Steuer- und Abgabenquote werden die Griechen niemals aus ihrer Situation herauskommen.

Auch dort gilt: Wir werden eine geordnete Lohnpolitik europaweit brauchen, wir werden aber auch eine geordnete Fiskalpolitik brauchen. Und es wird der Tag kommen, wo wir


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